Zölle auf China-E-Autos: EU-Kommission bekommt freie Hand Von Marek Majewsky, dpa

04.10.2024 14:37

Die EU-Kommission hat ausreichend Unterstützung der EU-Staaten, um
Zölle auf in China produzierte E-Autos zu erheben. Es bleibt zwar
noch Zeit für Verhandlungen, eine Lösung ist aber nicht in Sicht.

Brüssel (dpa) - Vertreter der EU-Staaten haben den Weg für teils hohe
Ausgleichszölle auf Elektroautos aus China frei gemacht. Hintergrund
ist, dass Peking in der Volksrepublik hergestellte Autos aus
Brüsseler Sicht mit wettbewerbsverzerrend hohen Subventionen fördert.
Die Sorge: Europäische Hersteller und Zulieferer könnten unter die
Räder geraten. Doch gerade deutsche Autobauer und Zulieferer sehen
das Vorhaben kritisch. Ein Überblick: 

Worüber wurde genau abgestimmt? 

Kernfrage ist: Werden Hersteller, die in China produzieren und von
dort in die EU exportieren, ab Anfang November mit Zusatzzöllen
bestraft? Konkret geht es um Zölle von 7,8 Prozent für Tesla und 35,3
Prozent für Unternehmen, die nicht mit der EU-Kommission bei der
Untersuchung kooperiert haben. Die Höhe richtet sich unter anderem
danach, wie viele Subventionen ein Hersteller bekommt. Sie würden auf
einen ohnehin schon bestehenden Zoll von zehn Prozent aufgeschlagen. 

Ob oder in welchem Umfang die Zölle an Kunden weitergegeben würden,
ist noch unklar. Wenn Hersteller die Kosten nicht weitergeben,
müssten sie den Aufschlag aus eigener Tasche zahlen. Nach
Berechnungen des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) von Ende Mai
würden Zölle zu steigenden Kaufpreisen für Elektroautos führen, da

der Import von Autos aus China zurückgehen werde. «Der Rückgang wür
de
in großen Teilen durch eine steigende Produktion innerhalb der EU
sowie eine geringere Menge an E-Auto-Exporten aufgefangen, was dann
spürbar höhere Preise für Endverbraucher bedeuten dürfte», schrie
b
das Institut. 

Welche Hersteller sind betroffen? 

Neben chinesischen Herstellern wie BYD und Geely würden auch deutsche
Hersteller getroffen. Die deutschen Platzhirsche VW, Mercedes und BMW
produzieren auch in China für den Export und müssten entsprechend
einen Aufschlag zahlen. Anfragen, inwiefern Renault aus Frankreich
oder Fiat aus Italien von den Zöllen betroffen wären, ließen die
beiden großen europäischen Hersteller unbeantwortet. 

«Deutsche und europäische Hersteller, die aus China heraus in die EU
exportieren, werden mit höheren Zöllen belastet als einzelne
Wettbewerber aus China und den USA. Das ist schlichtweg
unverständlich und wenig zielführend», kritisiert die Präsidentin d
es
Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller.

Konkret muss BYD mit einem Zusatzzoll von 17 Prozent rechnen. Die
Firmen Geely und SAIC würden mit einer zusätzlichen Abgabe von 18,8
Prozent beziehungsweise 35,3 Prozent belastet. Für Unternehmen, die
grundsätzlich mit der Kommission zusammengearbeitet und keine
gesonderten Tarife bekommen haben, sind 20,7 Prozent vorgesehen. 

Wie geht es nun weiter? 

Die EU-Kommission betonte in einer Stellungnahme, die EU und China
bemühten sich weiterhin intensiv um eine alternative Lösung. Diese
müsse in vollem Umfang mit den Regeln der Welthandelsorganisation
vereinbar sein und festgestellte schädigende Subventionierung
beseitigen. Sollte also noch eine Lösung gefunden werden, kann die
EU-Kommission entscheiden, die Zölle nicht einzuführen. Bislang sieht
es aber nicht danach aus. 

Welche Argumente sprechen für und welche gegen die Zölle?

Die EU-Kommission macht sich für die Zölle stark, weil sie im
Verhalten Chinas eine Bedrohung für europäische Firmen sieht. Die
Grundidee ist vereinfacht gesagt: Jeder Euro, den ein E-Auto aus
China aufgrund von Subventionen günstiger wird, soll durch die Zölle
aufgefangen werden, damit diese Fahrzeuge keinen unfairen
Wettbewerbsvorteil haben. 

Derzeit haben chinesische Hersteller nach Branchenangaben einen
Marktanteil von rund einem Prozent in Deutschland. Durch einen
Vorsprung in der Elektromobilität gewinnen Firmen aus Fernost aber an
Boden und können etwa durch günstige Elektroautos überzeugen, die
deutsche Marken schlicht nicht im Angebot haben.

Aus der deutschen Automobilbranche heißt es hingegen, die Zölle
beseitigten keine strukturellen Nachteile, die in der EU bestünden.
So sind der Autoindustrie etwa hohe Strompreise und Bürokratie durch
gesetzliche Vorgaben ein Dorn im Auge. 

Zudem werden Gegenmaßnahmen befürchtet, und hier sind deutsche
Hersteller im Vergleich zu anderen europäischen Firmen stärker
gefährdet. Während andere europäische Hersteller keinen relevanten
Marktanteil in China haben, sind es bei deutschen Herstellern laut
VDA um die 20 Prozent. «Jedes in China verkaufte Auto finanziert die
Wende zu einer klimafreundlichen Mobilität mit», sagt
Verbandspräsidentin Müller.

Wie sieht Peking die Zölle?

Im Hinblick auf die EU-Zusatzzölle spricht Peking von
Protektionismus. Brüssel ignoriere Fakten, missachte Regeln der
Welthandelsorganisation und werde sich selbst und anderen nur
schaden, so das chinesische Außenministerium. Verhandlungen über eine
Beilegung der Differenzen wurden von Peking unterstützt. Im September
war Chinas Handelsminister Wang Wentao zu Gesprächen in Brüssel. Doch
droht Peking zugleich mit Gegenmaßnahmen. 

So wurden etwa Anti-Subventionsuntersuchungen gegen Milchprodukte und
Branntwein (Brandy) aus der EU vorangetrieben. Bei der
Brandy-Untersuchung sind nach chinesischer Darstellung zwar
Dumpingpreise festgestellt worden, Maßnahmen würden jedoch vorerst
nicht ergriffen. 

Was machen andere Länder? 

Im Frühjahr hatte US-Präsident Biden angekündigt, Elektroautos aus
China mit Sonderzöllen von 100 Prozent zu belegen - und sie so
faktisch vom US-Markt zu nehmen, weil der Endpreis für die
allermeisten Autokäufer dadurch zu hoch wird. Die US-Regierung wirft
China vor, die globalen Märkte mit künstlich verbilligten Exporten zu
fluten. «Das ist kein Wettbewerb, das ist Schummeln», hatte Biden
damals gesagt. Damit hat sich der Handelskonflikt zwischen den USA
und China weiter verschärft.

Die Türkei hat kürzlich eine Steuer auf Autos aus China mit 40
Prozent, aber mindestens 7.000 US-Dollar pro Fahrzeug erlassen. Hinzu
kommt laut Angaben des Senders TRT eine Umsatzsteuer von zehn
Prozent. Investoren sind ausgenommen von dieser Regel. Kraftfahrzeuge
unterliegen in der Türkei einer hohen Sondersteuer. Diese gilt für im
Inland hergestellte wie für importierte Fahrzeuge. Die Höhe des
Steuersatzes richtet sich nach dem Hubraum und liegt derzeit zwischen
45 bis zu 220 Prozent.