EU schickt neues Geld in die Ukraine, Russland neue Raketen

10.10.2024 04:55

Die EU macht den Weg für Milliardenhilfen an die Ukraine frei. Deren
Präsident Selenskyj wird in Großbritannien, Frankreich und
Deutschland erwartet. Russland attackiert erneut eine Stadt mit
Raketen.

Brüssel (dpa) - Die EU-Staaten haben neue Finanzhilfen zugunsten der
Ukraine organisiert. Eine in Brüssel erzielte Grundsatzeinigung sieht
vor, für das von Russland angegriffene Land ein Darlehen von bis zu
35 Milliarden Euro zu arrangieren, wie die Vertretung der
Mitgliedstaaten mitteilte. Dieses soll dann mit Zinserträgen aus
eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank
zurückgezahlt werden.

Das Geld soll Teil eines noch größeren Unterstützungspakets werden,
das im Sommer von der Gruppe der großen westlichen Industriestaaten
(G7) beschlossen worden war. Es sieht mit russischen Geldern
finanzierte Darlehen in Höhe von bis zu 50 Milliarden US-Dollar (ca.
46 Mrd. Euro) vor.

Im Rahmen der von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen sind
seit Februar 2022 rund 210 Milliarden Euro an Vermögenswerten der
russischen Zentralbank eingefroren worden. Die außerordentlichen
Zinseinnahmen daraus werden derzeit auf bis zu 2,5 bis 3 Milliarden
Euro pro Jahr geschätzt. In der EU liegt der Großteil der weltweit
immobilisierten Vermögenswerte.

Selenskyj tourt quer durch Europa

US-Präsident Joe Biden verschob wegen des Hurrikans «Milton», der den

Südosten der USA bedroht, seine Reise nach Deutschland, wo unter
anderem über die weitere Hilfe für die Ukraine beraten werden sollte.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt aber trotzdem
nach Berlin. In der Nacht zum Donnerstag flog er von Dubrovnik
zunächst einmal Richtung Großbritannien. In Kroatien hatte er zuvor
an einem Gipfel der Balkanstaaten teilgenommen. 

Zwölf südosteuropäische Staaten und die Türkei einigten sich dort
darauf, dass ein Rückzug Russlands aus allen besetzten Gebieten in
der Ukraine Bedingung für einen Frieden sei. Sie sprachen sich für
den Friedensplan Selenskyjs aus sowie für eine Aufnahme der Ukraine
in die Nato. Das geht aus der Abschlusserklärung des Gipfeltreffens
hervor.

Erst Starmer und Macron, dann Scholz und Steinmeier

Der britische Premier Keir Starmer empfängt Selenskyj dann heute in
London, zudem ist ein Gespräch mit dem neuen Nato-Generalsekretär
Mark Rutte geplant, wie die britische Nachrichtenagentur PA meldete.
Es werde um breit angelegte strategische Diskussionen während dieser
wichtigen Zeit gehen, zitierte PA einen Regierungssprecher.

Später am Tag wird der ukrainische Präsident in Paris bei Frankreichs
Staatschef Emmanuel Macron erwartet. Im Élyséepalast dürfte es
Selenskyj um weitere militärische Unterstützung für die Abwehr des
russischen Angriffskriegs gehen. Erst am Mittwoch hatte Frankreich
die bereits zugesagte Lieferung von Mirage-Kampfjets für das erste
Quartal 2025 in Aussicht gestellt. Die Ausbildung von ukrainischen
Piloten und Mechanikern für die Maschinen läuft bereits in
Frankreich.

Am Freitag reist Selenskyj dann zu Bundeskanzler Olaf Scholz und
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach Berlin. Die separaten
Reisen von Selenskyj nach London, Paris und Berlin folgen auf die
Verschiebung des großen Ukraine-Solidaritätsgipfels in Ramstein, der
eigentlich am Samstag geplant war.

Sechs Tote bei russischem Raketenangriff auf Odessa

Die Ukraine steht an der Front schwer unter Druck. Im Osten des
Landes rücken russische Truppen langsam weiter vor. Zugleich hält
auch der Beschuss von Städten und zivilen Objekten im Hinterland
unvermindert an. So kamen bei einem russischen Raketenangriff auf die
südukrainische Hafenstadt Odessa am späten Abend mindestens sechs
Menschen nach Behördenangaben ums Leben. Elf weitere wurden verletzt,
sieben davon schwer. «Ziel des Feindes war erneut die
Hafeninfrastruktur», schrieb der Militärgouverneur der Region, Oleh
Kiper, auf Telegram. Seinen Angaben nach wurde ein ziviler
Containerfrachter unter der Flagge Panamas getroffen. Die Opfer sind
ukrainische Staatsbürger.

Nach Angaben Kipers ist es bereits der dritte Angriff auf ein ziviles
Schiff innerhalb der letzten vier Tage. Damit versuche Russland, den
von der Ukraine eingerichteten Getreidekorridor zu blockieren.
Bereits zu Beginn seines Angriffskriegs riegelte Russland die
ukrainischen Seehäfen ab. Wegen der Bedeutung der Ukraine für den
weltweiten Agrarmarkt einigten sich beide Länder für eine begrenzte
Zeit auf die Einrichtung eines Getreidekorridors. Im Juli 2023 ließ
Moskau die Abmachung auslaufen. Später organisierte Kiew selbst eine
Seeroute - auch durch die Vertreibung russischer Kriegsschiffe aus
dem westlichen Schwarzmeer.

Ukraine attackiert Drohnenlager in Südrussland

Das ukrainische Militär seinerseits zerstörte bei einem Angriff nach
eigenen Angaben ein Drohnenlager in der südrussischen Region
Krasnodar. Laut Generalstab in Kiew wurden in dem angegriffenen
Gebäude etwa 400 Drohnen des iranischen Typs Shahed gelagert. «Die
Vernichtung des Lagers für Shahed-Drohnen wird die Fähigkeit der
russischen Besatzer, friedliche Bewohner ukrainischer Städte und
Dörfer zu terrorisieren, erheblich verringern», hieß es. 

Russische Behörden bestätigten zumindest einen Brand in einem
Lagerhaus nahe der Ortschaft Oktjabrski. Das Gelände sei abgesperrt,
etwa 800 Quadratmeter Fläche stünden in Flammen, teilte der regionale
Operationsstab im Gebiet Krasnodar mit. Die Koordinaten stimmen mit
dem von Kiew vermeldeten Drohnenschlag überein. Der Operationsstab
machte aber keine Angaben zur Brandursache und den dort gelagerten
Objekten.