BGH: Desinfektionsmittel nicht als «hautfreundlich» bewerben

10.10.2024 12:57

Desinfektionsmittel sollen Viren und Bakterien töten. Beworben werden
solche Produkte aber oft mit deutlich positiven Begriffen. Doch das
hat Grenzen.

Karlsruhe (dpa) - Desinfektionsmittel dürfen nach einem Urteil des
Bundesgerichtshofs (BGH) nicht als «hautfreundlich» beworben werden.
Diese Angabe hebe eine positive Eigenschaft hervor, wodurch Risiken
verharmlost werden könnten, erklärte der erste Zivilsenat in
Karlsruhe. Die Verwendung des Begriffs in diesem Kontext sei deswegen
unzulässig, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch. (Az. I ZR
108/22)

Auch «ökologisch» und «bio» verboten

Damit gab der BGH der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs
recht, die einen Unterlassungsanspruch gegen die Drogeriemarktkette
dm geltend machen wollte. Der Karlsruher Konzern hatte in
Corona-Zeiten ein Desinfektionsmittel verkauft, auf dessen Etikett
sich laut BGH die Angaben «Ökologisches Universal-Breitband
Desinfektionsmittel» sowie «Hautfreundlich - Bio - ohne Alkohol»
befanden. Mit Blick auf die Biozidverordnung seien derart positive
Bezeichnungen wettbewerbswidrig, argumentierte die Klägerin.

Das Karlsruher Landgericht hatte es dm untersagt, mit Begriffen wie
«ökologisch», «bio» und «hautfreundlich» zu werben. Hinsichtl
ich der
Angabe «hautfreundlich» kassierte das Oberlandesgericht Karlsruhe die
Entscheidung. Daher landete der Fall beim BGH, der mit seiner
Entscheidung nun das ursprüngliche Urteil des Landgerichts
wiederherstellte.

Der dm-Geschäftsführer für Marketing und Beschaffung, Sebastian
Bayer, erklärte, die höchstrichterliche Klärung sorge für
Rechtssicherheit für den ganzen Markt. Denn es sei unklar gewesen, in
welchem Rechtsrahmen sich Hersteller und Handelsunternehmen bei der
Werbung für Desinfektionsmittel bewegen können. 

«Handdesinfektionsmittel waren bis zur Covid-19-Pandemie ein
Nischensortiment. Aufgrund der hohen Kundennachfrage während der
Pandemie haben viele Hersteller entsprechende Produkte auf den Markt
gebracht», sagte Bayer. «Damit einher gingen auch neue Konzepte und
Wirkversprechen sowie Auslobungen wie «hautfreundlich».» Dabei sei es

dm um einen Mehrwert gegangen, etwa um zwischen unterschiedlichen
Mittel unterscheiden zu können.

EuGH-Entscheidung ausschlaggebend

Der BGH hatte sich zuvor an den Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
gewandt, wie die Biozidverordnung auszulegen sei. Dieser verbot
solche Werbung als irreführend. Biozidprodukte dürften nicht in einer
Art und Weise beworben werden, die mit Blick auf die Risiken dieser
Produkte für Gesundheit oder Umwelt beziehungsweise hinsichtlich
ihrer Wirksamkeit irreführend ist. 

In Bezug auf die Angabe «hautfreundlich» stellte der EuGH fest, dass
eine solche Angabe auf den ersten Blick eine positive Konnotation hat
und keine Risiken erwähne. Das sei geeignet, schädliche
Nebenwirkungen zu relativieren und anzudeuten, «dass dieses Produkt
für die Haut sogar von Nutzen sein könnte».