Polens Regierung berät über Aussetzung des Rechts auf Asyl

15.10.2024 04:30

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk setzt auf eine
verschärfte Migrationspolitik. Das Recht auf Asyl soll vorübergehend
wegfallen. Dafür droht Ärger mit der EU-Kommission.

Warschau (dpa) - Polens Regierung will an diesem Dienstag über die
vorübergehende Aussetzung des Rechts auf Asyl beraten. Bei einer
Kabinettssitzung soll eine Strategie für die Steuerung irregulärer
Migration vorgestellt werden. Ministerpräsident Donald Tusk hatte am
Samstag auf einem Parteitag seiner liberalkonservativen
Bürgerkoalition angekündigt, sein Land wolle das Recht auf Asyl
zumindest vorübergehend aussetzen. Sollte es dazu kommen, muss
Warschau Gegenwind von der EU-Kommission befürchten. Dagegen zeigte
in Deutschland die Unionsfraktion Verständnis für den Schritt. 

«Der Staat muss wieder zu hundert Prozent die Kontrolle darüber
zurückgewinnen, wer nach Polen kommt und einreist», hatte Tusk auf
dem Parteitag gesagt. Er werde die Anerkennung dieser Entscheidung in
Europa einfordern. Details dazu nannte er aber nicht. 

Tusk: Verhandeln nicht über Grenzsicherheit

Eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel verwies darauf, dass die
EU-Staaten aufgrund gemeinsamer Regeln verpflichtet seien,
Schutzsuchenden Zugang zu Asylverfahren zu bieten. Zur konkreten
Ankündigung von Tusk sagte die Sprecherin, die Kommission sei in
Kontakt mit den polnischen Behörden dazu. Dabei gehe es auch darum,
was die Regierung genau vorhabe. 

Am Montag legte Tusk noch einmal nach. «Es ist unser Recht und unsere
Pflicht, die polnische und die europäische Grenze zu schützen. Über
ihre Sicherheit werden wir nicht verhandeln. Mit niemandem», schrieb
er auf X.

Polen und die EU werfen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und
dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, Migranten
aus Krisenregionen in organisierter Form an die polnische Ostgrenze
zu bringen. Diese ist zugleich eine Außengrenze der EU.

Kritik und Verständnis in Deutschland 

In Deutschland stieß die Ankündigung von Tusk auf gemischte
Reaktionen. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion,
Alexander Throm, zeigte Verständnis. «Ein EU-Land nach dem anderen
zieht in der Asylpolitik die Notbremse - jetzt auch Polen», sagte der
CDU-Politiker. Die Regierung in Warschau habe keine andere Wahl,
solange Russlands Präsident Putin und seine Komplizen irreguläre
Migration gezielt nach Polen steuerten. Throm vermutet, dass die
Entscheidung Polens auch eine Reaktion auf die von seiner Fraktion
angestoßene Debatte um umfassende Zurückweisungen an den deutschen
Grenzen ist. 

Kritik kam dagegen von Pro Asyl. Alleingänge wie das, was Tusk nun
angekündigt habe, stifte Chaos und gefährde zunehmend die europäische

Einheit, sagte der flüchtlingspolitische Sprecher der Organisation,
Tareq Alaouws. Er kritisierte, es sei ein Schlag ins Gesicht für die
demokratischen Kräfte in Polen, dass die Ankündigung, den Zugang zu
rechtsstaatlichen und fairen Asylverfahren rechtswidrig schließen zu
wollen, ausgerechnet von einem Regierungschef komme, der angetreten
war, um nach acht Jahren PiS-Regierung die Rechtsstaatlichkeit wieder
aufzubauen.