Polen plant Aussetzung des Asylrechts an Grenze zu Belarus

15.10.2024 21:30

Polens Regierung wirft dem Nachbarn Belarus vor, Migranten an die
EU-Außengrenze zu bringen. Nun soll das Recht auf Asyl ausgesetzt
werden. Doch ein Koalitionspartner von Donald Tusk legt sich quer.

Warschau (dpa) - Polen will mit einem neuen Gesetz das Recht auf Asyl
an der Grenze zu Belarus vorübergehend aussetzen. Der Gesetzentwurf
werde in einigen Wochen vorliegen, sagte Jan Grabiec, der Kanzleichef
von Ministerpräsident Donald Tusk, dem Sender TVN24. «Das Gesetz
besagt: Wenn jemand illegal die polnische Grenze überquert, der von
belarussischen Diensten dorthin gebracht wurde, wenn es sich um ein
Element der hybriden Kriegsführung handelt, dann ist der polnische
Grenzschutz nicht verpflichtet, Asylanträge dieser Personen
anzunehmen.»

Tusk hatte am Wochenende auf einem Parteitag seiner
liberalkonservativen Bürgerkoalition angekündigt, sein Land plane die
vorübergehende Aussetzung des Asylrechts. Dies hatte ihm von der
EU-Kommission und von Menschenrechtsorganisationen im In- und Ausland
Kritik eingebracht.

28.000 versuchte Grenzübertritte aus Belarus in diesem Jahr

Polen und die EU beschuldigen Russland Präsidenten Wladimir Putin und
seinen Verbündeten, den belarussischen Machthaber Alexander
Lukaschenko, in organisierter Form Migranten aus Krisenregionen an
die EU-Außengrenze zu bringen, um Druck auf den Westen auszuüben.
Trotz des Baus eines mehr als fünf Meter hohen Zaun und eines
elektronischen Überwachungssystems versuchen Migranten täglich,
irregulär die Grenze zu überqueren. Seit Beginn des Jahres hat der
Grenzschutz knapp 28.000 solcher Versuche registriert. Deutschlands
östliches Nachbarland hat rund 37 Millionen Einwohner. 

Das Kabinett befasste sich in Warschau in einer sechsstündigen
Sitzung mit einem Papier zur Migrationspolitik. Darin heißt es: «Wenn
die Gefahr einer Destabilisierung des Landes durch den Zustrom von
Migranten besteht, soll es möglich sein, das Recht auf Annahme von
Asylanträgen vorübergehend und territorial auszusetzen.»

Koalitionspartner streiten über Asylrecht

Nach der Kabinettssitzung schrieb Tusk auf der Plattform X, die
Regierung habe das Papier in einer «schweren, aber äußerst
notwendigen Entscheidung» angenommen. Offenbar traten aber während
der Sitzung Spannungen zwischen den Koalitionspartnern von Tusks
Mitte-Links-Bündnis in der Asylfrage zutage. 

Die vier Minister des Linksbündnisses Lewica hätten eine abweichende
Meinung formuliert, sagte Digitalisierungsminister Krzysztof
Gawkowski dem Portal Onet.pl. «Wir halten die Verschärfung der
Verfahren für illegale Migranten für nötig, aber wir wollen nicht,
dass Elemente wie die Aussetzung des Asylrechts in der Strategie
auftauchen.»