Scholz und Merz liefern sich Wahlkampfduell im Bundestag Von Michael Fischer, Jörg Blank, Carsten Hoffmann und Fatima Abbas, dpa
16.10.2024 14:37
Deutschland steckt ein Jahr vor dem Wahltermin mitten im
Bundestagswahlkampf. Dafür ist eine Regierungserklärung des Kanzlers
im Bundestag der Beleg.
Berlin (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat im Bundestag eine
industriepolitische Offensive angekündigt und Oppositionsführer
Friedrich Merz scharf angegriffen. Noch vor Ende des Monats will der
SPD-Politiker Unternehmensvertreter, Gewerkschaften und
Wirtschaftsverbände zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt einladen,
um über Wege aus der Wirtschaftsflaute zu sprechen. «Das, was dabei
rauskommt, werde ich diesem Parlament vorschlagen, auch auf den Weg
zu bringen, damit es vorangeht in Deutschland.»
Scholz verlangt von Merz Respekt vor Arbeitnehmern
Vom CDU-Vorsitzenden Merz verlangte Scholz Respekt vor denjenigen,
die arbeiteten und die von der Ampel immer wieder gezielt entlastet
würden. «Respekt vor denen die arbeiten heißt übrigens nicht, dass
man sie alle jeden Morgen einmal als faul beschimpft, wie das in der
Union offenbar Mode geworden ist», rief der Kanzler und fügte hinzu:
«Herr Merz kann gar nicht aus dem Bett steigen, ohne einmal zu sagen:
Hier wird zu wenig gearbeitet.»
Merz: «Fast schon verzweifelte Wahlkampfrede»
Merz warf Scholz im Gegenzug vor, den Bundestag für Wahlkampf zu
missbrauchen. Statt einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel habe das
Parlament eine «vorgezogene, fast schon verzweifelte Wahlkampfrede»
des Bundeskanzlers gehört, der «mit dem Rücken zur Wand» und mit de
n
Füßen am Abgrund stehe. Er warf Scholz vor allem vor, kein Wort zur
Migration gesagt zu haben.
«Neue industriepolitische Agenda»
Anlass für die Regierungserklärung des Kanzlers war der EU-Gipfel am
Donnerstag und Freitag in Brüssel, bei dem es unter anderem um
Wettbewerbsfähigkeit geht. In Deutschland müsse besonders um die
Industrie gekämpft werden, sagte Scholz. Deutschland sei ein
Industrieland und der «Verlockung vieler anderer nicht erlegen, die
gesagt haben, Industrie kann man abschreiben. Finanzplätze sind das
Einzige, was man braucht».
Darum müsse man jetzt zusammen mit der Industrie, an der Millionen
Arbeitsplätze hingen, «darum kämpfen, dass wir diese Grundlage
unseres Wohlstands erhalten». Über das hinaus, was die
Ampel-Regierung bereits auf den Weg gebracht habe, sei er dafür,
«eine neue industriepolitische Agenda (zu) vereinbaren, von der alle
profitieren».
Kanzler verspricht Israel Waffen
Beim EU-Gipfel wird es auch um die Kriege im Nahen Osten und in der
Ukraine gehen. In der aufgeheizten Debatte über die Waffenlieferungen
an Israel machte Scholz erneut ein klares Versprechen: «Es gibt
Lieferungen und wird auch immer weitere Lieferungen geben. Darauf
kann sich Israel verlassen», sagte er.
Die Terrormiliz Hamas habe Israel vor etwas mehr als einem Jahr
angegriffen. Deutschland müsse Israel «in der Lage halten, sein Land
zu verteidigen», betonte Scholz. «Israel kann sich auf unsere
Solidarität verlassen - jetzt und in aller Zukunft.» Zwischen März
und Mitte August hatte es keine Lieferungen von Kriegswaffen mehr an
Israel gegeben. Ob es sie aktuell gibt, ist unklar.
Gleichzeitig erklärte der Kanzler, dass es auch weiterhin der
humanitären Hilfe für die Menschen in Gaza bedürfe und die Regeln des
Völkerrechts im Nahost-Krieg eingehalten werden müssten. Es brauche
außerdem auch eine Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung mit den
Palästinensern, sagte Scholz.
Wann telefoniert Scholz mit Putin?
Der Ukraine sicherte Scholz zu, dass Deutschland neben den USA der
wichtigste Unterstützer im Abwehrkampf gegen Russland bleiben wird.
«Wir unterstützen die Ukraine und werden das so lange tun, wie das
notwendig ist.»
Der Kanzler bekräftigte auch seine Gesprächsbereitschaft mit dem
russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen gerechten Frieden in
der Ukraine. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj habe
erklärt, es solle eine weitere Friedenskonferenz geben, auch unter
Beteiligung des russischen Präsidenten, sagte der SPD-Politiker.
«Deshalb ist es auch richtig, dass, wenn gefragt wird, werden wir
auch mit dem russischen Präsidenten sprechen, wir sagen: Ja, auch das
ist der Fall.»
Scholz betonte, dabei verfolge man klare Prinzipien: Es werde niemals
Entscheidungen geben «über die Köpfe der Ukraine hinweg und niemals
ohne Abstimmung mit unseren engsten Partnern». Zugleich erinnerte der
Kanzler daran, dass auch unzählige russische Soldaten jeden Tag
«Opfer des imperialistischen Wahns des russischen Präsidenten»
würden. «Auch sie sind Opfer seiner Politik mit dem Ziel, sein Land
zu vergrößern. Etwas, was es auf diese Art in Europa nicht wieder
geben darf», ergänzte Scholz.