EU und Golfstaaten vereinbaren engere Zusammenarbeit
16.10.2024 20:17
Für die EU sind die Golfstaaten ein unverzichtbarer Energielieferant,
gleichzeitig bestehen große Differenzen. Beim ersten Gipfel sitzt
auch ein Mann am Tisch, dem schwerste Vorwürfe gemacht werden.
Brüssel (dpa) - Trotz großer Differenzen will die EU künftig enger
mit der Gruppe von sechs einflussreichen Golfstaaten
zusammenarbeiten. Bei ihrem ersten Gipfeltreffen verständigten sich
beide Seiten auf eine vertiefte Partnerschaft, etwa bei
Handelsangelegenheiten, im Kampf gegen den Klimawandel und bei
Sicherheitsfragen. «Die Zukunft unserer beiden Regionen ist eng
miteinander verbunden», sagte EU-Ratspräsident Charles Michel.
Zur Gruppe der sechs einflussreichen Golfstaaten gehören Katar, die
Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Saudi-Arabien, der Oman und
Kuwait. Sie nennt sich offiziell Golf-Kooperationsrat (GCC). Von
EU-Seite nahmen 21 der insgesamt 27 Staats- und Regierungschefs der
EU an dem Treffen in Brüssel teil. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
war nicht darunter: Er ließ sich vom französischen Präsidenten
Emmanuel Macron vertreten.
Nahost und Ukraine sind Reibungspunkte
Im Fokus standen bei dem Spitzentreffen vor allem der Nahost-Konflikt
und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Verhandlungen
zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung gestalteten sich allerdings
bis zuletzt schwierig. So wollten die Golfstaaten vor dem Treffen
nach Angaben von EU-Diplomaten beispielsweise nicht akzeptieren, dass
in dem Text nur zu einem Verzicht auf eine Unterstützung Russlands
aufgefordert werden soll. Aus ihrer Sicht sollten stattdessen
Waffenlieferungen an alle Konfliktparteien gestoppt werden. In der
gemeinsamen Abschlusserklärung wird nun eine UN-Resolution aus dem
Jahr 2022 zitiert, in der die Aggression Moskaus aufs Schärfste
verurteilt und Russland zum Abzug seiner Truppen aus der Ukraine
aufgefordert wird.
Mit Blick auf den Nahost-Konflikt riefen die Gipfelteilnehmer zu
einer sofortigen Waffenruhe auf und kündigten weitere Bemühungen um
eine Zweistaaten-Lösung an. «Wir sind besorgt über die zunehmenden
Spannungen in der Region und fordern alle Parteien auf, Zurückhaltung
zu üben, eine weitere Eskalation zu verhindern und sich zu
engagieren», heißt es in der Erklärung.
Abhängigkeit der EU bei Energie
Der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, sagte beim Auftakt des
Treffens: «Wir sind bestrebt, alle Bereiche unserer Zusammenarbeit zu
fördern, sei es auf regionaler oder internationaler Ebene.» Man wolle
etwa in den internationalen Handel, in den Austausch von Fachwissen,
in die Bekämpfung des Klimawandels und in die Förderung der
Wirtschaft investieren.
Die EU ist eigenen Angaben zufolge der zweitgrößte Handelspartner der
GCC-Länder. 2023 machten mineralische Brennstoffe über 75 Prozent der
EU-Importe aus GCC-Ländern aus. In der gemeinsamen Abschlusserklärung
verpflichteten sich beide Seiten dazu, die Kooperation im
Energiebereich zu intensivieren: Vorgesehen sei etwa eine stärkere
Zusammenarbeit im Bereich der Energiesicherheit - einschließlich
Energieeffizienz und erneuerbarer Energien.
Weitere Treffen geplant
Für Kritik sorgte die Anwesenheit des saudi-arabischen Kronprinzen
Mohammed bin Salman sechs Jahre nach dem brutalen Mord an dem
Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul.
US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen als Drahtzieher. Das
Königshaus weist das zurück. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund
sagte: «Die Vorstellung, dass europäische Staats- und Regierungschefs
lächelnd einem Mann die Hand schütteln, der wohl für die
Zerstückelung eines Journalisten verantwortlich ist, ist zutiefst
verstörend.» Dennoch wird Bin Salman wohl bald Gastgeber sein: Das
nächste Gipfeltreffen zwischen der EU und den Golfstaaten soll 2026
in Saudi-Arabien stattfinden.