WWF fordert vor EU-Treffen geringere Fangmenge für Ostsee

19.10.2024 07:01

Die Ostsee befindet sich nach einhelliger Meinung von Politik und
Wissenschaft in einem schlechten Zustand. Die Umweltorganisation WWF
fordert daher Zurückhaltung bei den Fangmengen für Fisch.

Kiel/Schwerin/Luxemburg (dpa) - Vor den Verhandlungen der
EU-Fischereiminister über die Fangmengen in der Ostsee hat der
Umweltverband WWF Zurückhaltung gefordert. Die Fangmengen müssten am
desolaten Zustand der Fischbestände und des Ökosystems Ostsee
insgesamt ausgerichtet werden und vorsorglich unter den
wissenschaftlichen Fang-Empfehlungen zu bleiben. Die
EU-Fischereiminister beraten am Montag über die Fangmengen für das
kommende Jahr.
 
«Das Ökosystem Ostsee ist längst am Limit», so der Fischereiexperte

beim WWF Deutschland, Philipp Kanstinger. Jahrzehntelange
Überfischung, Nährstoffüberschuss und Klimakrise hätten fatale
Auswirkungen: Die Bestände der heimischen Brotfische Dorsch und
Hering seien bereits kollabiert. Eine Kehrtwende sei nicht in Sicht,
deshalb sei Vorsorge gefragt, die auch die Wechselwirkungen zwischen
den Arten berücksichtige.

In der Schollenfischerei werde immer auch Dorsch mitgefangen, weil
beide Arten am Meeresboden leben. «Es gibt nur noch so wenig Dorsche,
dass allein ihr Beifang eine Erholung des Bestands gefährdet. Daher
muss die Beifangquote gekürzt werden», forderte Kanstinger.
Zusätzlich müsse die Fischerei besser kontrolliert werden. Um zu
verhindern, dass Dorschbeifang verbotenerweise über Bord geworfen
werde, brauche es auf See eine verpflichtende Überwachung des Fangs
mit Hilfe von Kameras.

WWF: Wissenschaftliche Prognosen oft zu optimistisch

Der Heringsbestand in der zentralen Ostsee zeige erste, leichte
Erholungstendenzen. Nach dem Willen des WWF sollten jetzt aber nicht,
wie von der EU-Kommission geplant, die Fangmenge verdoppelt werden.
Das würde die Erholung gefährden. Die erhöhte Fangmenge solle
vorsorglich unter der wissenschaftlichen Empfehlung bleiben, forderte
der WWF. Hering und Sprotte seien wertvolle Speisefische und spielten
im Nahrungsnetz der Ostsee eine Schlüsselrolle.

Wissenschaftliche Prognosen über die Entwicklung der Fischbestände
seien häufig zu optimistisch. Die Fischereiminister müssten aus den
Fehlern der Vergangenheit lernen und die langfristige Gesundung statt
kurzfristiger Erträge priorisieren, so Kanstinger.

Der Vorsitzende des Landesfischereiverbands Schleswig-Holstein,
Lorenz Marckwardt, bezeichnete die Lage der Fischerei in der Ostsee
als seit Jahren sehr schlecht. Kürzungen der Quoten Jahr für Jahr
hätten zur Aufgabe vieler Familienbetriebe geführt.

Forderungen der Fischer seien unter anderem, den Nährstoffeintrag
durch die Landwirtschaft drastisch zu reduzieren und alte Munition
aus dem Meer schneller zu bergen. Außerdem müsse es einen
europäischen Managementplan für Kormorane geben. Auch die Population
der Seehunde mache den Fischern Sorgen. Deren Wegfraß von Fischen
solle bei den Quoten berücksichtigt werden.