Gerichtshof verurteilt Russland: «Agentengesetz» willkürlich

22.10.2024 13:07

Moskau schränkt die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen seit
Jahren ein. Der Gerichtshof für Menschenrechte äußert sich nun
deutlich.

Straßburg (dpa) - Russland hat nach einem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) mit seinem «Agentengesetz»
gegen die Menschenrechte verstoßen. Die Vorschriften seien
stigmatisierend und nicht vereinbar mit der Meinungsfreiheit,
entschieden die Richter in Straßburg. Mit dem Gesetz wird demnach
nicht, wie von Moskau behauptet, die nationale Sicherheit geschützt;
stattdessen diene es der Einschüchterung und Bestrafung. Geklagt
hatten über 100 Nichtregierungsorganisationen (NGOs), darunter die in
Russland verbotene Organisation Memorial. 

2012 war in Russland ein Gesetz in Kraft getreten, das etwa NGOs
zwang, sich wegen ihrer vermeintlich politischen Arbeit und
ausländischer Finanzierung als «ausländische Agenten» zu
registrieren. Auf der Grundlage des zuletzt 2022 verschärften
Gesetzes werden Nichtregierungsorganisationen seit Jahren mit
schweren Sanktionen und hohen Strafen belegt oder ganz aufgelöst. 

Der EGMR hatte bereits vor zwei Jahren ähnlich entschieden. Die
Auswirkungen des aktuellen Urteils dürften allerdings begrenzt sein:
Russland erkennt die Entscheidungen des Gerichtshofs nicht an. Das
Land wurde wegen seines seit Februar 2022 andauernden Angriffskrieges
gegen die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossen. Damit ist es auch
kein Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr, für
deren Einhaltung der Gerichtshof sorgt. Dieser kann aber weiterhin
über Vorfälle entscheiden, die bis zu sechs Monate nach dem
Ausschluss geschehen sind. EGMR und Europarat sind von der EU
unabhängig.