EU-Ratschef erwartet Debatte über mögliche Israel-Sanktionen
25.10.2024 05:02
Kann die EU angesichts der Entwicklungen im Nahost-Konflikt am
Partnerschaftsabkommen mit Israel festhalten? Mehrere Länder fordern
seit längerem eine Überprüfung. Nun könnte das Thema akut werden.
Brüssel (dpa) - Der Präsident des Europäischen Rates erwartet
angesichts der Kritik an Israels Art der Kriegsführung im Nahen Osten
eine schwierige Debatte über mögliche Einschränkungen der politischen
und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Land. Mehrere Staats- und
Regierungschefs hätten beim EU-Gipfel in der vorigen Woche das
bestehende Partnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und
Israel angesprochen, sagte Charles Michel in einem Interview des
Nachrichtenagenturnetzwerks European Newsroom (enr). Früher oder
später werde dies ein ernsteres Thema werden. Schon jetzt gebe es auf
Ebene der Außenminister Gespräche zum sogenannten
Assoziierungsabkommen, sagte der frühere belgische Regierungschef.
Ein Aussetzen des Abkommens könnte weitreichende Auswirkungen haben,
da es Rechtsgrundlage für die Handelsbeziehungen zwischen der EU und
Israel ist. In dem Vertrag geht es unter anderem um die
wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Industrie, Energie,
Verkehr und Tourismus. Zudem sieht er regelmäßige politische
Konsultationen vor.
Spanien und Irland hatten bereits vor Monaten gefordert, das
Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Israel auf den Prüfstand zu
stellen. Hintergrund ist insbesondere die Vermutung, dass die
israelischen Streitkräfte bei ihrem Vorgehen gegen Terroristen der
Hamas und der Hisbollah humanitäres Völkerrecht missachten und
unangemessen großes Leid in der Zivilbevölkerung im Gazastreifen und
im Libanon verursachen.
Vorwurf der Doppelmoral gegen die EU
Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell könnte die
EU-Kommission ein Aussetzen des Abkommens vorschlagen, wenn Israel
sich nicht an Grundprinzipien halten sollte. Zu diesen gehört, dass
die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien nicht nur auf den
Grundsätzen der Demokratie, sondern auch auf der Achtung der
Menschenrechte beruhen.
Zu dem Partnerschaftsabkommen äußerte sich der scheidende
EU-Ratspräsident Michel in seiner Antwort auf eine Frage nach dem
Umgang mit Vorwürfen gegen die Staatengemeinschaft. Der EU wird
vorgehalten, sie lasse Israel in Menschen- und Völkerrechtsfragen
Regelverstöße durchgehen, die sie bei anderen Ländern nicht dulden
würde.
Michel erklärte dazu, wenn die EU eine Doppelmoral an den Tag lege,
werde sie ihre Autorität und Glaubwürdigkeit verlieren. Dabei räumte
er ein, dass es unter den Staats- und Regierungschefs im Europäischen
Rat derzeit manchmal schwierige Debatten gebe, weil nicht alle
Mitgliedstaaten genau die gleiche Einschätzung darüber hätten, was im
Einklang mit dem Völkerrecht steht und was nicht. Man sei aber sehr
klar in der Botschaft, dass internationales Recht immer und überall
respektiert werden müsse, betonte Michel.