Scholz nennt Sharmahd-Hinrichtung einen Skandal
29.10.2024 08:28
Die Vollstreckung des umstrittenen Todesurteils gegen Djamshid
Sharmahd im Iran löst Entsetzen und Ärger aus. Oppositionschef Merz
fordert Konsequenzen im Umgang mit Teheran.
Berlin/Teheran (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) haben die Hinrichtung des
deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd im Iran
scharf verurteilt. Scholz nannte die Tötung bei X einen Skandal, die
Bundesregierung habe sich immer wieder intensiv für die Freilassung
Sharmahds eingesetzt. Baerbock teilte mit, die Tötung Sharmahds
«zeigt erneut, was für ein menschenverachtendes Regime in Teheran
herrscht». Teheran sei immer wieder unmissverständlich klargemacht
worden, «dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen
schwerwiegende Folgen haben wird».
Irans Justiz hatte Sharmahds Hinrichtung am Montag verkündet. Er war
im Frühjahr 2023 in einem umstrittenen Prozess nach Terrorvorwürfen
zum Tode verurteilt worden. Angehörige und Menschenrechtler wiesen
die Anschuldigungen gegen ihn vehement zurück.
Oppositionschef Friedrich Merz (CDU) forderte, den iranischen
Botschafter aus Deutschland auszuweisen. «Die Herabstufung der
diplomatischen Beziehungen auf die Geschäftsträgerebene ist
angezeigt», schrieb Merz bei X. Er sprach von einem «scheußlichen
Verbrechen». Merz hatte die politische Patenschaft für Sharmahd
übernommen.
Tochter fordert Überstellung der Leiche für Bestattung
Sharmahds in den USA lebende Tochter Gazelle forderte Antworten von
der Bundesregierung. «Welchen Beweis haben sie, dass du, Papa,
Journalist und Freiheitsverfechter Jamshid Sharmahd, ermordet
wurdest?», schrieb Gazelle Sharmahd auf der Plattform X. «Falls die
Nachricht mit konkreten Beweisen bestätigt wird, müssen sie dich
sofort nach Hause bringen, damit wir dich in Frieden zur Ruhe legen
können», schrieb sie weiter. «Wir wollen keine Erklärungen oder
Beileidsbekundungen», fügte sie hinzu. Sie forderte eine Bestrafung
der Verantwortlichen.
Auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell verurteilte die Hinrichtung
scharf. Die EU erwäge «Maßnahmen» als Reaktion, schrieb er auf X,
ohne Details zu nennen.
Amnesty Deutschland forderte die Bundesregierung auf, strafrechtliche
Ermittlungen einzuleiten und Haftbefehle gegen alle iranischen
Beamten zu erlassen, «die an den an Jamshid Sharmahd verübten
Verbrechen beteiligt waren. Sie müssen zur Rechenschaft gezogen
werden!»
Angehörige hatten Bundesregierung kritisiert
Die Exekution dürfte die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen
Berlin und Teheran drastisch verschlechtern. Bereits im vergangenen
Jahr hatte Deutschland nach Verkündung des Urteils zwei iranische
Diplomaten ausgewiesen. Irans Regierung tat dasselbe.
Deutschland hatte in der Vergangenheit die Aufhebung des Urteils
gegen Sharmahd gefordert. Irans Justiz verweigerte bis zuletzt
konsularischen Zugang. Unter anderem Sharmahds Tochter Gazelle warf
der Bundesregierung jedoch immer wieder Untätigkeit vor. Andere
Europäer waren im Rahmen von Gefangendeals freigekommen.
Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair - er
durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb
bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen
ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den
Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt
als «Richter des Todes», der von den USA und der Europäischen Union
mit Sanktionen belegt wurde.
Sharmahd war im Sommer 2020 unter mysteriösen Umständen während einer
Reise aus Dubai in den Iran verschleppt worden; mehrere Berichte
sprechen von einer Entführung durch den iranischen Geheimdienst.
Seitdem saß er in Isolationshaft.