EU führt endgültig Extrazölle auf Elektroautos aus China ein Von Katharina Redanz, dpa
30.10.2024 03:30
Zwar laufen Verhandlungen zwischen der EU und China weiter, doch die
EU-Kommission entscheidet jetzt: Zusatzzölle für aus der
Volksrepublik importierte E-Autos kommen endgültig. Was bedeutet das?
Brüssel (dpa) - Trotz Widerstand aus Deutschland sind die
EU-Zusatzzölle auf die Einfuhr von Elektroautos von China um
Mitternacht in Kraft getreten. Die Extra-Abgaben sollen für fünf
Jahre gelten. Die EU-Kommission hatte am Dienstag eine entsprechende
Verordnung beschlossen.
Zuvor hatte Anfang des Monats eine ausreichend große Mehrheit der
EU-Staaten für die Strafzölle gestimmt. Deutschland votierte aus
Sorge vor einem neuen großen Handelskonflikt und möglichen
Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Hersteller dagegen. Fragen und
Antworten.
Warum werden zusätzliche Zölle erhoben?
Aus Sicht der Europäischen Kommission sind die Ausgleichszölle
notwendig, um langfristig die Zukunft der Autoindustrie in der EU zu
sichern. Sie kam bei einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass
chinesische Hersteller von unfairen Subventionen profitieren, die
ihnen einen erheblichen Vorteil auf dem europäischen Markt
verschaffen. Demnach können chinesische Elektroautos normalerweise
rund 20 Prozent günstiger angeboten werden als in der EU hergestellte
Modelle. Bereits im Juli hatte die EU-Kommission deswegen vorläufige
Ausgleichszölle eingeführt.
Verhandlungen über eine mögliche einvernehmliche Lösung des
Handelsstreits blieben bis zuletzt erfolglos. Als eine Option wird
gesehen, dass E-Auto-Händler Preisverpflichtungen eingehen und damit
die Zölle abwenden können. Auf technischer Ebene liefen die
Verhandlungen auch nach der Entscheidung für die Ausgleichsabgaben
weiter, hieß es aus der Kommission.
Wie hoch sind die Zölle?
Für E-Autos des Herstellers BYD gilt künftig eine Extra-Abgabe in
Höhe von 17,0 Prozent, wie aus der Verordnung hervorgeht. Für
Elektrofahrzeuge des Produzenten Geely sind demnach 18,8 Prozent
fällig. Der Höchstsatz beträgt 35,3 Prozent. Die
unternehmensspezifischen Zollsätze wurden der EU-Kommission zufolge
auf Grundlage der von ihr durchgeführten Untersuchung festgesetzt und
sollen die individuelle Lage der Firmen spiegeln. Die Zölle kommen
auf einen bereits bestehenden Zollsatz von zehn Prozent hinzu.
Was wird in Deutschland befürchtet?
Für die deutsche Industrie ist der Handelsstreit ein großes Thema,
weil China der größte Automarkt der Welt ist und Unternehmen um einen
ihrer wichtigsten Absatzmärkte fürchten. Deutsche Firmen wie VW,
Mercedes und BMW produzieren dort nicht nur Wagen speziell für den
chinesischen Markt, sondern auch für den Export.
Der Verband der Automobilindustrie mahnte, durch die Zölle wachse
nicht nur das Risiko eines beiderseitigen Handelskonflikts weiter an,
sondern die Fahrzeuge würden sich auch für die Verbraucherinnen und
Verbraucher verteuern. Außerdem werde der Ausbau der Elektromobilität
und damit das Erreichen der Klimaziele in einer «besonders kritischen
Phase» ausgebremst, sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Auch der ADAC befürchtete Gegenreaktionen aus China mit negativen
Folgen für Verbraucher. «Für den Hochlauf der Elektromobilität ist
eine große Angebotsvielfalt auf dem Automobilmarkt, unabhängig von
der Herkunft, wichtig. Strafzölle könnten dagegen dafür sorgen, dass
einige Modelle vom Markt verschwinden», sagte eine Sprecherin der
dpa.
In Brüssel wiederum gibt es die Einschätzung, diese Position sei vor
allem von Top-Managern der Autobauer geprägt. Ihnen wird vorgeworfen,
vor allem kurz- und mittelfristig gute Zahlen erreichen zu wollen und
nicht so sehr das langfristige Überleben der Autoindustrie im Blick
zu haben.
Welche Konsequenzen drohen aus China?
Wie China auf die endgültige Einfuhr der Zölle reagieren wird, ist
noch unklar. Die Regierung in Peking wirft der EU Protektionismus vor
und drohte in der Vergangenheit vor allem mit höheren Zöllen bei der
Einfuhr von Verbrennern mit großem Hubraum aus der EU in die
Volksrepublik. Davon wären besonders deutsche Autobauer betroffen.
Als mögliche Vergeltungsmaßnahmen begann China zudem Zusatzabgaben
auf den Import von Schweinefleisch und Milchprodukten zu prüfen. Eine
Untersuchung gegen Branntwein, die hauptsächlich französische
Hersteller trifft, führte bereits zu vorläufigen Maßnahmen. Firmen,
die diesen nach China importieren, müssen eine Kaution in Höhe von
30,6 Prozent bis 39 Prozent des Warenwerts beim chinesischen Zoll
hinterlegen.
Was müssen Autobauer in China fürchten?
Die Zusatzzölle treffen nicht nur chinesische Marken wie BYD oder
Geely, sondern auch deutsche Hersteller. Die Maßnahme richtet sich
nämlich nicht ausschließlich gegen chinesische E-Autos, sondern gegen
in China hergestellte Fahrzeuge. Deutsche Firmen wie VW, Mercedes und
BMW produzieren dort nicht nur Wagen speziell für den chinesischen
Markt, sondern auch für den Export. Die Hersteller befürworten die
Zölle nicht und fürchten ihrerseits Gegenmaßnahmen Chinas.