Bundesregierung schließt alle iranischen Generalkonsulate Michael Fischer, dpa
31.10.2024 15:36
Drei Tage hat die Bundesregierung gewartet. Aber jetzt fällt die
Reaktion auf die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers im Iran
härter aus, als von vielen erwartet.
Berlin/New York (dpa) - Als Reaktion auf die Hinrichtung des
deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd schließt die
Bundesregierung alle drei iranischen Generalkonsulate in Deutschland.
Es handelt sich um die Vertretungen in Frankfurt am Main, Hamburg und
München mit zusammen 32 konsularischen Beamten.
Außenministerin Annalena Baerbock begründete den Schritt mit dem
«menschenverachtenden Agieren» der iranischen Führung. «Dass nun im
Lichte der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten die Ermordung
erfolgte zeigt, dass ein diktatorisches Unrechtsregime wie das der
Mullahs nicht in der normalen diplomatischen Logik agiert», sagte die
Grünen-Politikerin.
Die Reaktion auf die Hinrichtung fällt härter aus als von vielen
erwartet. Die betroffenen Konsularbeamte verlieren ihr
Aufenthaltsrecht und müssen ausreisen, sofern nicht andere
Aufenthaltsgründe vorweisen können, zum Beispiel eine
EU-Staatsbürgerschaft. Die Botschaft in Berlin bleibt aber geöffnet
und ist weiter für die konsularische Betreuung der 300.000 Iraner in
Deutschland zuständig. Über die Zahl der Mitarbeiter an der Botschaft
gibt das Auswärtige Amt keine Auskunft.
Bisher griff die Bundesregierung nur einmal zu einer solch
drastischen Strafmaßnahme: Infolge des Angriffs auf die Ukraine
wurden vier russische Generalkonsulate geschlossen, allerdings mit
Verzögerung. Die Entscheidung wurde erst 15 Monate nach der Invasion
im Mai 2023 als Reaktion auf die Ausweisung Hunderter deutscher
Staatsbediensteter getroffen und erst zum Jahreswechsel 2023/24
umgesetzt.
Etwa 300 000 Iraner in Deutschland
Irans Justiz hatte Sharmahds Hinrichtung am Montag bekanntgegeben. Er
wurde im Frühjahr 2023 in einem umstrittenen Prozess nach
Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt. Die Bundesregierung, Angehörige
und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn vehement
zurück.
Baerbock wies darauf hin, dass die Bundesregierung den Iran für den
Fall der Hinrichtung immer mit schwerwiegenden Folgen gewarnt habe.
Sie forderte die Freilassung der noch inhaftierten Deutschen, deren
Zahl vom Auswärtigen Amt nicht bekanntgegeben wird.
Neuer Tiefpunkt in den deutsch-iranischen Beziehungen
Die ohnehin schon massiv eingeschränkten deutsch-iranischen
Beziehungen sind mit der Schließung der Generalkonsulate auf einem
neuen Tiefpunkt angelangt. Es ist gut möglich, dass der Iran zu
Gegenmaßnahmen greift.
Bereits nach dem Todesurteil gegen Sharmahd hatte das Auswärtige Amt
zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Der Iran reagierte seinerseits
mit der Ausweisung derselben Zahl deutscher Diplomaten. Das ist ein
übliches Vorgehen in solchen Fällen.
Die Europäische Union berät auch über weitere Sanktionen gegen den
Iran. Dabei könnte es um Personen gehen, die mit der Hinrichtung,
Inhaftierung oder dem Gerichtsverfahren zu tun haben, das von der
Bundesregierung als nicht rechtsstaatlich erachtet wird. Baerbock
forderte zudem erneut, dass die EU die iranischen Revolutionsgarden
als Terrororganisation einstuft.
Baerbock hatte «schwerwiegende Folgen» angekündigt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock hatten die Hinrichtung
schon am Montag scharf verurteilt. Baerbock ließ zunächst den Leiter
der iranischen Botschaft in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellen.
Staatssekretärin Susanne Baumann übermittelte ihm in einem Gespräch
den «scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes»
Einen iranischen Botschafter gibt es derzeit nicht in Berlin. Der
bisherige Botschafter ist im Zuge eines regulären Personalwechsels
ausgereist und ein Nachfolger bisher nicht eingetroffen. Nach der
Tötung Sharmahds gilt es als unwahrscheinlich, dass zeitnah ein neuer
Botschafter entsendet wird.
Auswärtiges Amt warnt vor Reisen in den Iran
Der deutsche Botschafter in Teheran, Markus Potzel, wurde von
Baerbock zu «Konsultationen» nach Deutschland zurückbeordert. Er hat
den Iran inzwischen verlassen. Wann er zurückkehrt, ist ebenfalls
völlig offen.
Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in den Iran und hat deutsche
Staatsangehörige bereits aufgefordert, das Land zu verlassen. Wie
viele Deutsche noch im Land sind, ist unklar. Eine niedrige
dreistellige Zahl hat sich auf der Krisenvorsorgeliste des
Auswärtigen Amts eingetragen.
Sharmahd kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland
Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben
Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der
Landeshauptstadt Hannover jahrelang einen Computerladen betrieb. Im
Jahr 2003 zog er schließlich nach Kalifornien in den USA, wo er
politisch aktiv war.
In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe
«Tondar» (Donner) aktiv. Die iranische Staatsführung wirft der
monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in
der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu
sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen -
Hinterbliebene der Toten hatten Sharmahds Exekution gefordert.
Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair. Er
durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb
bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen
ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den
Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt
als «Richter des Todes», der von den USA und der Europäischen Union
mit Sanktionen belegt wurde.