Abwasser: Pharmafirmen in EU müssen Reinigung mittragen
05.11.2024 16:16
Durch Medikamente oder auch Make-Up gelangen Mikroschadstoffe ins
Wasser. In der EU müssen Herstellerfirmen künftig maßgeblich Kosten
mittragen. Pharmaverbände warnen vor mehr Arzneiengpässen.
Brüssel (dpa) - Pharma- und Kosmetikfirmen müssen sich künftig stark
an der Abwasserreinigung in der Europäischen Union beteiligen. Die
EU-Länder stimmten zuvor mit Unterhändlern des EU-Parlaments
ausgehandelten Regeln zu, nach denen die Hersteller künftig
mindestens 80 Prozent der zusätzlichen Kosten für eine vertiefte
Reinigung tragen müssen. Durch Arzneien und Kosmetikprodukte kommen
Mikroschadstoffe ins Abwasser.
Darüber hinaus soll Abwasser den neuen Regeln zufolge künftig auch
streng hinsichtlich etwa antibiotikaresistenter Erreger, Viren oder
Mikroplastik überwacht werden. Die EU-Länder werden außerdem
verpflichtet, die Wiederverwendung von behandeltem Abwasser aus allen
kommunalen Kläranlagen zu fördern, wo dies angebracht ist -
insbesondere in Gebieten mit Wasserknappheit. Die Zustimmung der
EU-Länder war der letzte notwendige Schritt im
Gesetzgebungsverfahren. Die Regeln werden nun noch im EU-Amtsblatt
veröffentlicht und treten dann in Kraft.
Verbände unterschiedlicher Meinung
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bezeichnete die neue
Richtlinie als «notwendigen Schritt», um die Gewässer langfristig zu
schützen. Mit der neu eingeführten Beteiligung der Pharma- und
Kosmetikindustrie an den Kosten der Abwasserbehandlung würden die
Abwasserkunden mit den Umsetzungskosten nicht länger allein gelassen,
sagte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. «Nachdem die Vorgaben aus
Brüssel nun klar sind, brauchen wir jetzt durch eine zügige und
praktikable Umsetzung in nationales Recht Klarheit.»
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach von
einem «umweltökonomischen Meilenstein». Damit werde ein
Verursacherprinzip rechtskräftig umgesetzt, sagte Martin Weyand,
Hauptgeschäftsführer Wasser und Abwasser beim BDEW. «Es werden
Anreize geschaffen, Schadstoffe an der Quelle zu vermindern und
umweltschonende Grundstoffe und Produkte zu entwickeln.»
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hingegen bezeichnete die
neue Richtlinie als eine «eine völlig verfehlte EU-Gesetzgebung» und
warnte, dass einzelne Produkte teurer werden oder einige
systemrelevante Arzneimittel völlig vom Markt verschwinden könnten.
Der Verband rechne damit, dass die Beteiligung an der Reinigung die
deutsche Pharma- und Kosmetikindustrie etwa zwei bis drei Milliarden
Euro jährlich kosten werde. Hinzu kämen noch Bürokratiekosten für d
as
Erheben der Abgabe.
Pharmabranche warnt vor verstärkten Arzneiengpässen
Der Verband Pro Generika warnte vor Milliardenkosten, die zu
verstärkten Arzneiengpässen in Deutschland etwa bei Krebsmitteln,
Diabetes-Medikamenten oder Antibiotika führen könnten. Es sei völlig
unstrittig, dass Klärwerke ausgebaut werden müssten, um auch
Spurenstoffe aus dem Abwasser zu filtern. «Nicht nachvollziehbar ist
aber, warum nur zwei Branchen belangt werden, obwohl die zu
entfernenden Verunreinigungen auch aus anderen Bereichen - etwa aus
Pflanzenschutz- oder Reinigungsmitteln oder aus dem Verkehr -
stammen.» Da innerhalb des Erstattungssystems in Deutschland die
Arzneimittelpreise nicht erhöht werden könnten, drohe die Produktion
von Medikamenten unwirtschaftlich zu werden.