EU will Wirtschaftskrieg mit USA unter Trump verhindern
08.11.2024 17:35
Mit Donald Trump an der Spitze der USA wird sich die Beziehung
zwischen den Staaten und Europa verändern. Kann ein großer
Handelskonflikt abgewendet werden? Die EU sucht Lösungen - und Geld.
Budapest (dpa) - Die EU bereitet sich nach der US-Wahl auf eine
schwierige Zusammenarbeit mit dem künftigen Präsidenten Donald Trump
vor. «Oberste Priorität muss sein, einen Wirtschaftskrieg zu
vermeiden», sagte Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer am Rande
eines Gipfeltreffens mit seinen Amtskollegen in Budapest. Es müsse
klar verhandelt werden, es brauche Spielregeln und gegenseitige
Anreize, um Investitionen zuzulassen.
Bei dem Treffen der Staatsspitzen ging es demnach darum, wie die
Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen vor allem gegenüber
Konkurrenz aus China und den USA gestärkt werden kann. Beide Länder
verschaffen ihren Unternehmen aus EU-Sicht mit hohen Subventionen
Vorteile, sodass Europa das Nachsehen hat. Die Aussicht auf Trump als
neuen US-Präsidenten verstärkt die Dringlichkeit der Debatte.
In einer Erklärung fordern die Staats- und Regierungschefs nach dem
Gipfeltreffen unter anderem die Europäische Kommission auf, bis Juni
eine umfassende Strategie zur Vertiefung des europäischen
Binnenmarktes vorzulegen. Dieser soll demnach als Hauptantriebskraft
für Innovation, Investitionen, Konvergenz, Wachstum, Konnektivität
und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit sorgen. Weiterhin drängen
sie etwa auf Fortschritte bei der Verteidigungsbereitschaft.
«Beziehung zwischen Europa und USA wird sich stark verändern»
Grundlage für die Debatte war eine Analyse zu Europas
Wettbewerbsfähigkeit des früheren Chefs der Europäischen Zentralbank,
Mario Draghi. Diese zeigt vor allem großen Investitionsbedarf auf.
Draghi sagte in Budapest, es bestehe kein Zweifel daran, dass die
Trump-Präsidentschaft die Beziehungen zwischen den USA und Europa
stark verändern werde. Europa habe zu lang versucht, einen Konsens zu
finden und könne Entscheidungen nun nicht länger aufschieben.
Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, auf Importe neue Zölle in Höhe
von 10 bis 20 Prozent einführen zu wollen. Für chinesische Waren
sollen sie sogar 60 Prozent betragen. Damit will er den
Produktionsstandort USA stärken und das aktuelle Handelsdefizit
abbauen.
Mehrere Ökonomen warnten jüngst, eine Rückkehr Trumps ins Weiße Hau
s
werde sich wahrscheinlich negativ auf das Wachstum in Europa
auswirken. Besonders hart könnte es für die deutsche Autoindustrie
und ihre Zulieferer werden, für die die USA zusammen mit China der
wichtigste Absatzmarkt außerhalb der EU sind.
Luxemburgs Regierungschef Luc Frieden erklärte in Budapest, man müsse
erst einmal abwarten, was Trump mache. Aber man werde mit Amerika auf
Augenhöhe diskutieren. «Wir sind für fairen und freien Handel. Zöll
e
sind nicht das beste Mittel, das zu erreichen, aber wenn jemand etwas
einführt, dann muss man auch reagieren.» Seine italienische
Amtskollegein Giorgia Meloni sagte, es gehe nicht darum, was die USA
tun könnten, sondern was Europa für sich selbst tun könne.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zufolge sind die Gespräche zur
Wettbewerbsfähigkeit von «allergrößter Wichtigkeit». Man müsse
etwa
bei Innovationen «vorne dabei» sein, sagte er in Budapest.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte nach dem
Treffen, die EU sei unter anderem hervorragend in bahnbrechender
Forschung. «Aber es gibt ein Defizit bei der Umsetzung der
Forschungsergebnisse in ein Produkt und bei der Skalierung des
Produkts auf dem Markt in der Europäischen Union.» Priorität müsse
sein, Prozesse zu vereinfachen und beschleunigen.
Finanzierung strittig
Strittig ist, woher das nötige Geld kommen soll, damit Europa es mit
den USA und China aufnehmen kann. Es müssten sowohl öffentliche als
auch private Mittel mobilisiert werden, hieß es in der
Abschlusserklärung des Treffens. «Wir sind entschlossen, alle
Instrumente und Werkzeuge zu prüfen und zu nutzen», schrieben die
Staats- und Regierungschefs.
Damit bleibt auch die Option einer neuen gemeinsamen Schuldenaufnahme
auf dem Tisch. Deutschland positioniert sich bislang klar dagegen,
andere Länder sprechen sich dafür aus. Bislang nahm die EU solche im
großen Stil nur für den milliardenschweren Corona-Aufbaufonds auf.
Einig sind sich die Spitzenpolitiker darin, dass die Europäische
Investitionsbank und der langfristige Haushalt der
Staatengemeinschaft eine wesentliche Rolle spielen sollen. Zudem soll
auf die Einführung neuer Eigenmittel hingearbeitet werden. Das könnte
zum Beispiel eine neue Steuer auf Krypto-Währungen sein.
Um mehr privates Geld zu mobilisieren, pochen die Staats- und
Regierungschefs daher auch auf «dringende Fortschritte» beim
geplanten Zusammenwachsen der europäischen Kapitalmärkte.
Auch an einer Spar- und Investitionsunion soll gearbeitet werden.
«Ein großer Teil der Ersparnisse wird nicht für wertvolle
Investitionen verwendet, sondern liegt auf der Bank oder in bar»,
sagte von der Leyen. Bei einem günstigeren Umfeld für Investitionen
könnten sie in einen tiefen und liquiden Kapitalmarkt fließen und
genutzt werden, so die Deutsche weiter.
Zuletzt hieß es in einem Bericht, 33 Billionen Euro an privaten
Ersparnissen seien in der EU vorhanden - überwiegend in Bargeld und
Einlagen. Jährlich rund 300 Milliarden Euro an Ersparnissen
europäischer Bürger würden ins Ausland umgeleitet, vor allem in die
USA.