Ukraine unter Druck - Nato-Chef fordert mehr Hilfe

13.11.2024 05:05

Der Druck auf die ukrainischen Truppen an der Ostfront wächst, der
Winter naht. Nato-Generalsekretär Rutte fordert mehr Hilfe für die
Ukraine. Darum geht es heute auch bei einem Treffen in Brüssel.

Paris/Kiew/Brüssel/Washington (dpa) - Angesichts des wachsenden
russischen Drucks an der Ostfront und des nahenden Winters fordert
Nato-Generalsekretär Mark Rutte mehr Unterstützung für die Ukraine.
«Wir müssen mehr tun, als nur die Ukraine im Kampf zu halten. Wir
müssen die Kosten für (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin und

seine autoritären Freunde in die Höhe treiben, indem wir der Ukraine
die Unterstützung zukommen lassen, die sie braucht, um den Verlauf
des Konflikts zu ändern», sagte Rutte kurz vor einem Treffen mit dem
französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris.

US-Außenminister Antony Blinken will heute in Brüssel mit EU- und
Nato-Vertretern die weitere Unterstützung für die Ukraine erörtern.
Die Ukraine will vor dem Machtwechsel in den USA nach Donald Trumps
Sieg bei der Präsidentenwahl die bisherigen Hilfszusagen Washingtons
für ihre Streitkräfte noch voll abschöpfen.

Russland führt seit mehr als zweieinhalb Jahren eine großangelegte
Invasion gegen die Ukraine. Angesichts von Trumps Ankündigungen, den
Krieg rasch beenden zu wollen, zeigte sich Moskau zuletzt offen für
Gespräche. In der Ukraine und bei den westlichen Verbündeten sind die
Befürchtungen groß, dass Trump die Militärhilfe für Kiew einstellen

könnte.

Rutte: «Wir müssen zusammenstehen»

Rutte sagte weiter, die westlichen Partner müssten sich erneut dazu
verpflichten, den Kurs langfristig beizubehalten. Es sei wichtig, die
Unterstützung fortzusetzen, während sich die Ukrainer auf den
möglicherweise härtesten Winter seit 2022 vorbereiteten. 

Nach dem Treffen mit Macron sagte Rutte, Russland setze nicht nur
seinen Angriff auf die Ukraine fort, sondern rücke gleichzeitig immer
näher an seine Verbündeten China, Iran und Nordkorea heran. «Wir
müssen also zusammenstehen - Europa, Nordamerika und unsere globalen
Partner -, um die Sicherheit und den Wohlstand unserer Bevölkerung zu
gewährleisten», sagte Rutte. «Je mehr wir für die Verteidigung
ausgeben, desto mehr verringern wir das Risiko künftiger Konflikte.»
Der frühere niederländische Ministerpräsident hatte das Amt des
Nato-Generalsekretärs am 1. Oktober übernommen. 

USA: Tausende nordkoreanische Soldaten an Kampfhandlungen beteiligt

Tausende nordkoreanische Soldaten sind nach US-Angaben bei den
Kämpfen in der russischen Grenzregion Kursk gegen ukrainische
Soldaten im Einsatz. Die meisten der mehr als 10.000 in den Osten
Russlands geschickten Nordkoreaner seien in das Gebiet Kursk
geschickt worden, wo sie begonnen hätten, «gemeinsam mit den
russischen Streitkräften in Kampfhandlungen einzutreten», sagte
Außenamtssprecher Vedant Patel in Washington. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits vor
einigen Tagen gesagt, dass einige der 11.000 nordkoreanischen
Soldaten im russischen Grenzgebiet Kursk in Kämpfe mit der
ukrainischen Armee verwickelt seien. Die Ukraine bindet durch den
Vorstoß ihrer Truppen nach Angaben Selenskyjs rund 50.000 russische
Soldaten im dortigen Frontgebiet. Diese könnten nicht an anderen
Frontstellungen der Russen auf ukrainischem Gebiet eingesetzt werden.

Ukraine ringt um neue Hilfen

Derweil ringt die Ukraine um weitere Militärhilfe ihrer Verbündeten.
Verteidigungsminister Rustem Umjerow teilte im Kurznachrichtendienst
X mit, er habe mit seinem US-Kollegen Lloyd Austin weitere Schritte
zur Stärkung der ukrainischen Streitkräfte besprochen. Es gehe darum,
dass die Soldaten alles bekämen, was sie bis zum Ende des Jahres
bräuchten. Details nannte er nicht.

Laut Austins Ministerium erörterten die beiden Politiker auch den
Eintritt nordkoreanischer Soldaten in den Kampf gegen die Ukraine.
Dies stelle «eine erhebliche Eskalation des unprovozierten russischen
Angriffskriegs gegen die Ukraine» dar, hieß es. Austin habe die
Zusage des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden bekräftigt, die
Hilfen für die Ukraine aufzustocken. 

Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha traf sich mit der
designierten EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas in Brüssel, um mit ihr
über die Lage an der Front, die dringendsten Verteidigungsbedürfnisse
seines Landes und über die Folgen der US-Präsidentenwahl zu sprechen.
Er sei überzeugt, dass die EU der Ukraine weiter starke Unterstützung
leisten werde, sagte Sybiha.

Weil im Osten der Ukraine die russischen Truppen immer neue
Ortschaften erobern und die ukrainischen Truppen zum Rückzug drängen,
fordert die Führung in Kiew dringend mehr und weitreichende Waffen
und eine insgesamt entschlossenere Hilfe. Die Militärführung in Kiew
hatte die Lage im Donbass - im Osten der Ukraine - zuletzt als
besonders schwierig bezeichnet.

Selenskyj spricht mit Trudeau und erlässt Sanktionen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte nach eigenen
Angaben dem kanadischen Regierungschef Justin Trudeau bei einem
Telefonat für die Unterstützung seines «Siegesplans», der auch die

Einladung zur Nato-Mitgliedschaft und die Erlaubnis zum Einsatz
weitreichender Waffen gegen Ziele im russischen Hinterland
beinhaltet. Er habe mit Trudeau auch vor dem G20-Gipfel, der kommende
Woche in Rio de Janeiro stattfindet, die weiteren Schritte der
Unterstützung abgesprochen. Details nannte er nicht.

Selenskyj erließ außerdem Dekrete zu neuen Sanktionen gegen russische
Unternehmen und Personen, die für den Aggressor Moskau arbeiteten.
Die Ukraine werde sich nun dafür einsetzen, dass diese Strafmaßnahmen
mit denen der Verbündeten in Einklang gebracht würden - darunter auch
Sanktionen, die gegen die russische Luftfahrtinfrastruktur gerichtet
seien, sagte der Präsident.

In seiner abendlichen Videobotschaft informierte Selenskyj auch
darüber, dass es Soldaten in der Ukraine künftig leichter haben
sollen, ihren Einsatzort zu wechseln. Es gebe viele Verteidiger, die
innerhalb der ukrainischen Streitkräfte versetzt werden wollten,
sagte Selenskyj. Für sie gebe es unbürokratische Lösungen. Das
Verteidigungsministerium sei zuständig, das neue System nun
einzuführen.