EU-Chefdiplomat will Dialog mit Israel aussetzen
14.11.2024 04:55
Kurz vor dem EU-Außenministertreffen präsentiert der Chefdiplomat der
Europäischen Union einen brisanten Vorschlag. Er kritisiert Israels
Art der Kriegsführung - und bringt Strafmaßnahmen ins Spiel.
Brüssel/Gaza (dpa) - Als Reaktion auf die israelische Kriegsführung
im Gazastreifen und im Libanon will EU-Chefdiplomat Josep Borrell den
regelmäßigen politischen Dialog mit Israel aussetzen. Diesen
Vorschlag werde er beim Außenministertreffen am kommenden Montag den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterbreiten, erfuhr die
Deutsche Presse-Agentur in Brüssel von EU-Beamten. Hintergrund seien
Berichte unabhängiger internationaler Organisationen, die den Schluss
nahelegten, dass Israel Menschenrechte und internationales
humanitäres Völkerrecht verletze. Dass Borrells Vorschlag die
notwendige einstimmige Zustimmung findet, gilt aber als
unwahrscheinlich.
Der politische Dialog der EU mit Israel wird über ein sogenanntes
Assoziationsabkommen aus dem Jahr 2000 geregelt. Er sieht unter
anderem einen regelmäßigen Austausch zur Stärkung der Beziehungen und
zur Weiterentwicklung der Partnerschaft vor. Festgehalten ist dort
auch, dass die Beziehungen zwischen den Vertragsparteien auf der
Achtung der Menschenrechte und der Grundsätze der Demokratie beruhen.
Diplomaten betonten jedoch, den institutionellen politischen Dialog
auszusetzen bedeute nicht, das sogenannte Assoziationsabkommen oder
den Assoziationsrat auszusetzen.
Mehrere EU-Staaten fordern seit Monaten Konsequenzen
Borrell hatte bereits im Oktober wissen lassen, dass er beim nächsten
Außenministertreffen eine Debatte über Israels Art der Kriegsführung
im Gazastreifen und im Libanon führen will. Wie Mitarbeiter des
Spaniers damals erklärten, könnten dann bei einer einstimmigen
Einschätzung zulasten Israels sofort Konsequenzen veranlasst werden.
Spanien und Irland hatten schon vor Monaten angeregt, das
Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel auf den Prüfstand
zu stellen. Darin geht es neben dem Dialog auch um die
wirtschaftliche Zusammenarbeit in Bereichen wie Industrie, Energie,
Verkehr und Tourismus.
Dass der Vorschlag Borrells für ein Aussetzen des Dialogs die
benötigte einstimmige Zustimmung findet, gilt als unwahrscheinlich,
weil Länder wie Ungarn und Tschechien bislang klar auf der Seite
Israels stehen. Wie sich die Bundesregierung positionieren wird, war
zunächst unklar. In den vergangenen Monaten äußerten sich Vertreter
mehrfach kritisch zu Vorstößen für Strafmaßnahmen, da Gesprächska
näle
offen gehalten werden müssten.
Israel: Abschussrampe in humanitärer Zone im Gazastreifen zerstört
Derweil geht das Blutvergießen im Krieg Israels mit den Islamisten
der Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah-Miliz im Libanon weiter.
Die israelischen Streitkräfte zerstörten eigenen Angaben zufolge in
der humanitären Zone im Süden Gazas eine Raketenabschussrampe der
Hamas. Sie sei auf Israel ausgerichtet gewesen und habe eine direkte
Bedrohung für die Zivilgesellschaft dargestellt, hieß es. Explosionen
nach dem Angriff legten nach Einschätzung des israelischen Militärs
nahe, dass im Bereich der Abschussrampe große Mengen an Munition
gelagert worden waren. Die Streitkräfte warfen der Hamas vor, die
humanitäre Zone und zivile Gebäude für ihre terroristischen
Aktivitäten zu missbrauchen.
Sechs israelische Soldaten im Libanon getötet
Bei Kämpfen im Südlibanon wurden nach Angaben der israelischen Armee
sechs Soldaten getötet. Sie seien bei einem Schusswechsel mit vier
Hisbollah-Terroristen in einem Gebäude ums Leben gekommen,
berichteten mehrere israelische Medien unter Berufung auf eine erste
Untersuchung der Streitkräfte. Demnach wurde ein weiterer Soldat bei
dem Vorfall verletzt. Laut Militär waren die Getöteten zwischen 19
und 22 Jahren alt. Auf einer Gedenkseite der Armee wurde die
Gesamtzahl der seit Beginn des Krieges im Gazastreifen und im Libanon
gefallenen Soldaten mit 792 angegeben.
Der aktuelle Konflikt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah
begann vor mehr als einem Jahr mit den Raketenangriffen der
libanesischen Miliz zur Unterstützung der im Gazastreifen unter
Beschuss stehenden Hamas. Auslöser dafür war das Massaker der Hamas
und anderer Terroristen am 7. Oktober 2023 in Israel, bei dem rund
1.200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln nach Gaza
verschleppt wurden. Auf palästinensischer Seite wurden im Krieg
Zehntausende Menschen getötet, die meisten davon Zivilisten. Die
genauen Zahlenangaben lassen sich faktisch nicht unabhängig
überprüfen.
Israel: Waffen-Transportrouten in Syrien angegriffen
Israels Luftwaffe griff derweil Armeeangaben zufolge in Syrien Routen
für den Waffenschmuggel an die Hisbollah an. Israels Militär sprach
von Schmuggelrouten der syrischen Regierung. Menschenrechtsaktivisten
zufolge wurden bei den Luftangriffen in der Nähe der Stadt Homs 15
Menschen verletzt, darunter Angehörige der syrischen Armee. Die
Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in
Großbritannien teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, Israel
versuche «jeden möglichen Weg zu blockieren, den die Hisbollah für
den Transport von Waffen oder militärischem Personal nutzen kann».