Juncker für «Teilmitgliedschaft» der Ukraine in der EU
19.11.2024 03:35
Die Ukraine will so schnell wie möglich EU-Mitglied werden. Das wird
aber nicht schnell gehen, mahnt Ex-Kommissionspräsident Juncker. Er
hat eine andere Idee.
Luxemburg (dpa) - Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
Juncker hat eine EU-«Teilmitgliedschaft» für die Ukraine
vorgeschlagen. «Die Ukraine wird nicht sehr schnell EU-Mitglied
werden können», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Luxemburg.
«Es gibt viele ungelöste Probleme in der Ukraine, von Korruption bis
zur Rechtsstaatlichkeit, die geglättet werden müssen, bevor man
ernsthaft einen Beitritt der Ukraine ins Auge fassen kann.»
Juncker, der von 2014 bis 2019 EU-Kommissionspräsident war, sagte zu
seinem Vorschlag einer Teilmitgliedschaft: «Man sollte sich auf
derartige Modelle konzentrieren statt auf die sofortige
Vollmitgliedschaft. Man darf den Ukrainern keine leeren Versprechen
machen.»
Die Ukraine hatte am 28. Februar 2022 wenige Tage nach dem Beginn des
russischen Angriffskriegs die Mitgliedschaft in der EU beantragt.
Seit dem 25. Juni 2024 laufen offiziell Beitrittsverhandlungen.
Beteiligung ohne Stimmrecht
Juncker sagte, man solle nicht versuchen, «den Ukrainern den Eindruck
zu geben, wir wären entschlossen, sofort, noch gestern der Ukraine
als Mitglied der Europäischen Union einen europäischeren Status zu
geben». Es müsse klar sein, «dass diese Beitrittsperspektive für di
e
Ukraine besteht und da ist und dass wir uns in die Richtung
bewegen».
Auch aufgrund seiner Erfahrungen mit früheren EU-Erweiterungen denke
er aber, «dass man nicht sofort und unbedingt eine Vollmitgliedschaft
der Ukraine anstreben sollte, sondern eine Teilmitgliedschaft in dem
Sinne, dass die Ukraine an auch wichtigen Entscheidungen der
Europäischen Union beteiligt wird, ohne dass die Ukraine Mitglied der
Europäischen Union wird».
«Ich glaube, das wäre ein wichtiger Weg, der auch den Ukrainern
zeigen würde, dass ihre Anstrengungen in Richtung Beitritt nicht ohne
positive Antwort der Europäischen Union bleiben», sagte er. Eine
Teilmitgliedschaft würde laut Juncker bedeuten, dass die Ukraine an
einigen Politiken und damit verbundenen Sitzungen der EU ohne
Stimmrecht teilnehmen könnte. Für die Ukraine wäre dies ein Zeichen,
dass die Europäer anerkennen, dass die für eine Vollmitgliedschaft
nötigen Reformen angegangen würden.
Unterstützung der Ukraine «solange es notwendig ist»
Zur Frage, wie lange eine solche Teilmitgliedschaft dauern könnte,
sagte Juncker: «Ich habe da keinen Zeitplan. Aber dieses «Sofort.
Noch gestern» wird auch der Würde der Ukrainer nicht gerecht. Weil
das den Eindruck schindet, dass die Vollmitgliedschaft sofort möglich
ist. Ist sie nicht.»
Die vom künftigen US-Präsidenten Donald Trump angekündigte rasche
Beendigung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine halte er
für «zugespitzt optimistisch»: «Es sei denn, man würde der Ukrain
e
einen von Russland angetriebenen Diktatfrieden aufzwingen. Das kann
man nicht tun. Also in Sachen Ukraine müssen wir deutlich machen,
dass wir der Ukraine, solange es notwendig ist, zur Seite stehen.»
Eine «Teilmitgliedschaft» ist im geltenden EU-Vertrag von Lissabon
nicht vorgesehen. Es gibt aber Länder wie beispielsweise Norwegen und
die Schweiz, die vertraglich ohne Mitgliedschaft in bestimmten
Bereichen eng mit der EU verbunden sind.