Grenzschutz und Terrorgefahr treiben EU-Bürger am meisten um

20.11.2024 06:30

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wird von den Menschen im
Osten Europas als sehr große Bedrohung wahrgenommen. Blickt man auf
die gesamte EU, steht jedoch eine andere Sorge an erster Stelle.

Berlin (dpa) - Irreguläre Migration und Terrorgefahr treiben die
Menschen in der Europäischen Union aktuell stärker um als andere
potenzielle Bedrohungen für den Frieden. Das zeigen die Ergebnisse
einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung in
den 27 Mitgliedstaaten. Dabei sind regionale Unterschiede erkennbar.
Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nimmt die Bevölkerung in
den EU-Staaten auch als eine große Bedrohung wahr. 

Auf die Frage «Was ist heute die größte Bedrohung für den Frieden i
n
Europa?» gaben demnach etwa 25 Prozent der über 26.000 Teilnehmer der
Befragung an, nicht funktionierender Grenzschutz treibe sie mehr um
als alles andere. 21 Prozent der Menschen in der EU nehmen demnach
terroristische Angriffe als größte Bedrohung wahr, 19 Prozent große
Cyberattacken. Ein Angriff durch eine fremde Macht wird den Angaben
zufolge von 18 Prozent der befragten EU-Bewohner als größte Bedrohung
empfunden. 17 Prozent von ihnen entschieden sich für die
Antwortvariante «Organisiertes Verbrechen».

Teilnehmer aus Deutschland sorgen sich besonders um Terrorrisiko 

Dass die in Deutschland beheimateten Teilnehmer der Umfrage das
Terrorrisiko zu 23 Prozent als größte Bedrohung für den Frieden in
Europa wahrnehmen, mag auch mit dem Zeitpunkt der Befragung im
vergangenen September zusammenhängen. Die Erinnerungen an den
Terroranschlag in Solingen waren da noch sehr frisch. Am 23. August
soll der Syrer Issa Al H. in Solingen drei Menschen mit einem Messer
getötet haben. Mehr als 24 Stunden später wurde er festgenommen. Die
Terrormiliz Islamischer Staat hat den Anschlag für sich reklamiert. 

Mangelnde Grenzsicherung, eine Unterwanderung durch das organisierte
Verbrechen und einen militärischen Angriff halten der Befragung
zufolge jeweils 21 Prozent der Menschen in Deutschland mit Blick auf
den Frieden in Europa für die größte Gefahr. 14 Prozent verorten die

größte Bedrohung im Cyberraum.

Polen halten Angriffskrieg für größte Bedrohung 

In Polen, das eine Grenze mit der von Russland angegriffenen Ukraine
hat, ist dagegen die Angst vor einem Krieg das, was die Menschen
besonders beschäftigt. Laut Umfrage halten 29 Prozent der Polen die
Gefahr eines militärischen Angriffs für die größte Bedrohung für
den
Frieden in Europa. Im vom Kriegsschauplatz weiter entfernten Spanien
sagen dies dagegen lediglich 16 Prozent der Befragten.

Zehn Prozent der Deutschen sehen China als wichtigsten Verbündeten

Laut Umfrage hielten im September - und damit vor der erneuten Wahl
von Donald Trump zum US-Präsidenten - 54 Prozent der deutschen
Bevölkerung die USA für den wertvollsten Verbündeten der EU. Dieser
Wert liegt etwas über dem EU-weiten Durchschnitt von 51 Prozent. In
Polen ist der Anteil derjenigen, die den USA diese Rolle zuweisen,
mit 65 Prozent besonders hoch, in Belgien mit 43 Prozent deutlich
niedriger. 

Unter den Bürgerinnen und Bürgern der USA ist der Europa-Enthusiasmus
nicht ganz so groß wie umgekehrt. Auf die Frage, wer wohl der
wertvollste Verbündete der USA sei, nannten nach Angaben der
Bertelsmann Stiftung 27 Prozent der rund 2.500 Teilnehmer der
Befragung Großbritannien, gefolgt von der Europäischen Union mit 25
Prozent. 13 Prozent der Menschen in den USA halten Kanada für den
bedeutendsten Partner, 12 Prozent Israel.

Jeweils jeder Zehnte Bewohner Deutschlands und der EU insgesamt
bezeichnet China als wertvollsten Verbündeten. Der Westen wirft China
vor, Russland mit Gütern zu versorgen, die sowohl zivil als auch
militärisch genutzt werden können und so die russische
Kriegswirtschaft zu unterstützen. 

Die Bundesregierung hatte im Sommer 2023 erstmals eine umfassende
China-Strategie beschlossen. Darin wird das von der kommunistischen
Führung mit harter Hand regierte Land als Partner, Wettbewerber und
systemischer Rivale definiert. Kern der Strategie ist es, die
wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern, um ein böses
Erwachen wie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine bei der
Kappung der Gaslieferungen zu vermeiden.