Parlamentsausschüsse machen Weg für neue EU-Kommission frei
20.11.2024 23:27
Nach zähem Streit im EU-Parlament kann Ursula von der Leyen wohl bald
mit ihrer neuen Kommission loslegen. Zu den vorgesehenen Personalien
steht am Abend in Brüssel ein umstrittener Kompromiss.
Brüssel (dpa) - Die neue EU-Kommission von Präsidentin Ursula von der
Leyen kann aller Voraussicht nach am 1. Dezember ihre Arbeit
aufnehmen. Vertreter der Fachausschüsse im Europäischen Parlament
stimmten in Brüssel den Vorschlägen für die Besetzung der politischen
Spitzenposten zu. Zuvor hatten sich die Spitzen großer Fraktionen im
Europaparlament auf die Besetzung verständigt.
Eine abschließende Abstimmung im Plenum des Parlaments steht noch
aus, die Zustimmung gilt aber als wahrscheinlich. Teil des nun
gefundenen Kompromisses ist auch eine schriftliche Vereinbarung des
Mitte-Rechts-Bündnisses EVP, dem auch CDU und CSU angehören, der
Sozialisten und Sozialdemokraten (S&D) sowie der liberalen
Renew-Fraktion.
Leitlinien schriftlich fixiert
In einem knapp zwei Seiten langen Papier werden Leitlinien der
Zusammenarbeit festgehalten. Unter anderem seien Rechtsstaatlichkeit,
Ukraine-Unterstützung und eine pro-europäische Ausrichtung
Kernaspekte.
Die mächtige EU-Kommission schlägt als einzige Institution in der EU
Gesetze für die Staatengemeinschaft vor und überwacht die Einhaltung
des EU-Rechts. Die EU-Staaten durften für die Neuaufstellung der
Brüsseler Behörde mindestens eine Kandidatin und einen Kandidaten
nominieren. Die deutsche Kommissionspräsidentin von der Leyen war
bereits im Juli als Chefin der Brüsseler Behörde wiedergewählt worden
und hatte das geplante Team für ihre zweite Amtszeit im September
vorgestellt.
Streit um Besetzung
In den vergangenen Wochen waren die designierten Kommissare dann von
den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments angehört worden.
Widerstand bildete sich bei den Befragungen der sechs designierten
Vizepräsidentinnen und -präsidenten.
Streit gab es vor allem um den italienischen Kommissaranwärter
Raffaele Fitto. Mit ihm soll zum ersten Mal ein Politiker der rechten
italienischen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) zu einem der
Vizepräsidenten der EU-Kommission ernannt werden. Er wird
wahrscheinlich Kommissar für Kohäsion und Reformen werden und wäre
damit unter anderem für den Europäischen Sozialfonds und einen Fonds
für regionale Entwicklung verantwortlich. Die S&D-Fraktion wollte
aber nicht, dass ein rechter Politiker eine herausgehobene Position
als Vizepräsident bekommt.
Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP weigerte sich wiederum zunächst, die
derzeitige spanische Umweltministerin und Sozialistin Teresa Ribera
als Kandidatin zu bestätigen. Die Sozialistin soll als
Vizepräsidentin für Wettbewerbspolitik und den grünen Wandel
zuständig werden. Konservative und rechte Abgeordnete aus Spanien
werfen ihr vor, die Bevölkerung im Oktober nicht rechtzeitig vor den
schweren Überschwemmungen in der Region Valencia gewarnt zu haben.
Änderungen bei Ungarns Kommissar
Auch um Ungarns Kommissar Oliver Varhelyi hatte es Zwist gegeben. Er
steht schon länger wegen seiner Loyalität gegenüber dem ungarischen
Ministerpräsidenten Viktor Orban in der Kritik. Der Kompromiss sieht
nun vor, dass Teile seiner zunächst vorgesehenen Zuständigkeiten an
andere Kommissare gehen sollen. Nach Angaben des
CDU-Europaabgeordneten Peter Liese soll unter anderem die Kompetenz
für Pandemie-Prävention an die belgische Kommissarsanwärterin Hadja
Lahbib übertragen werden.
Aus Reihen der Grünen kam bereits am Abend vehemente Kritik daran,
dass die S&D dem Kompromiss zugestimmt hat. «Die Sozialdemokraten
brechen ein zentrales Wahlkampfversprechen: Sie machen gemeinsame
Sache mit Europafeinden und Post-Faschisten und wollen die Kandidaten
aus Ungarn und Italien wählen», teilte der Grünen-Abgeordnete Daniel
Freund mit. Sein Parteifreund Michael Bloss sagte, die Zustimmung der
S&D sei «würdelos».