Verfahren: Brüssel prüft Einfluss von Tiktok auf Wahlen

17.12.2024 12:30

Wahleinmischung per Algorithmus? Tiktok steht im Verdacht,
ausländische Einflüsse nicht ausreichend zu bekämpfen. Es drohen
Strafen.

Brüssel (dpa) - Die Europäische Kommission hat im Zusammenhang mit
der inzwischen annullierten Präsidentenwahl in Rumänien ein Verfahren
gegen die Online-Plattform Tiktok eröffnet. Es soll geprüft werden,
ob der chinesische Konzern bei Wahlen genug gegen die Einmischung von
ausländischen Akteuren vorgeht, wie die Kommission in Brüssel
mitteilte.

Konkret will sich die Brüsseler Behörde unter anderem Tiktoks
Empfehlungssysteme anschauen, also den Algorithmus der Plattform.
Dabei soll es um koordinierte, nicht authentische Manipulation sowie
die automatisierte Nutzung des Dienstes gehen. Außerdem steht im
Fokus, wie Tiktok mit politischer Werbung und bezahlten politischen
Inhalten umgeht.

Strenge Regeln durch EU-Gesetz

Plattformen wie Tiktok, Facebook, X, Google und viele andere müssen
nach dem EU-Gesetz DSA (Digital Services Act) schneller und schärfer
als früher gegen illegale Inhalte im Netz vorgehen. Sonst drohen
ihnen Strafen. Der Kommission zufolge können etwa Geldbußen in Höhe
von 6 Prozent des gesamten weltweiten Jahresumsatzes auf Tiktok
zukommen. Die Behörde könne auch eine tägliche Geldstrafe verhängen
,
bis das Problem behoben sei. Grundsätzlich müssen große Dienste wie
Facebook und Instagram mehr Regeln befolgen als kleine.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte an, dass die
Demokratien vor jeder Art von ausländischer Einmischung geschützt
werden müssten. Nach ernsthaften Hinweisen darauf, dass sich
ausländische Akteure mit Hilfe von Tiktok in die rumänischen
Präsidentschaftswahlen eingemischt haben, werde nun gründlich
untersucht, ob der Konzern solche Risiken ausreichend bekämpft, sagte
sie. «Wann immer wir eine solche Einmischung vermuten, insbesondere
bei Wahlen, müssen wir schnell und entschlossen handeln.»

Vorwürfe gegen Tiktok in Rumänien

Der chinesische Konzern weist die Vorwürfe von sich. «Wir haben die
Integrität unserer Plattform bei über 150 Wahlen auf der ganzen Welt
geschützt», teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit. «Wir akzeptieren

keine bezahlte politische Werbung, wir entfernen proaktiv Inhalte,
die gegen unsere Richtlinien zu Fehlinformationen, Belästigung und
Hassreden verstoßen.» Tiktok wolle weiterhin mit der Europäischen
Kommission sowie mit regionalen und nationalen Behörden
zusammenarbeiten, um Anfragen zu bearbeiten und Bedenken zu
diskutieren.

Der Oberste Verteidigungsrat (CSAT) in Rumänien hatte Tiktok nach dem
Erfolg des prorussischen Rechtsradikalen Calin Georgescu bei der
Präsidentenwahl schwere Vorwürfe gemacht. Die Plattform habe es
unterlassen, ihn bei seinen dort veröffentlichten
Propagandamaterialien, als Politiker zu identifizieren. Zur Methode
des Wahlkampfs von Georgescu und dessen Finanzierung ermittelt
inzwischen Rumäniens Staatsanwaltschaft.

Georgescu hatte vor allem auf Tiktok Wahlkampf betrieben. Er war in
der ersten Runde der Präsidentenwahl auf Platz eins gekommen, gefolgt
von der konservativ-liberalen Politikerin Elena Lasconi. Inzwischen
hat das Verfassungsgericht die Wahl annulliert. Der gesamte
Wahlprozess muss wiederholt werden. Einen Termin dafür gibt es noch
nicht.

Datenaufbewahrung bis 2025

Die Kommission will in dem aktuellen Verfahren nun weiter Beweise
sammeln, etwa durch Befragungen. Mit der Einleitung des Verfahrens
werde zunächst nur ein Verdacht geprüft, das Ergebnis stehe noch
nicht fest. 

Anfang Dezember hatte die Brüsseler Behörde Tiktok bereits
angewiesen, alle Daten einzufrieren und aufzubewahren, die sich auf
tatsächliche und vorhersehbare systemische Risiken für Wahlvorgänge
in der EU beziehen. Dies erfolgte unter anderem, weil die Kommission
Informationen erhalten hatte, die auf eine Einmischung aus Russland
hinwiesen. 

Die Anweisung an Tiktok alle Daten aufzubewahren, bleibt nach Angaben
der EU-Kommission für alle anstehenden EU-Wahlen auf nationaler Ebene
bis zum 31. März 2025 gültig. Somit betrifft das auch die am 23.
Februar geplante Neuwahl in Deutschland.