Selenskyj spricht mit Nato über weitere Ukraine-Hilfen

18.12.2024 05:00

Kurz vor Weihnachten wollen sich führende Vertreter europäischer
Nato-Staaten noch einmal mit den ukrainischen Präsidenten treffen.
Kiew hofft dabei auf weitere Hilfszusagen unabhängig von den USA.

Brüssel/Kiew/Moskau (dpa) - Spitzenvertreter führender europäischer
Nato-Staaten wollen heute mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
Selenskyj über weitere Unterstützungsmöglichkeiten für sein Land
reden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus
Bündniskreisen soll es bei dem von Nato-Generalsekretär Mark Rutte
organisierten Treffen am Abend auch um mögliche Sicherheitsgarantien
für den Fall eines Waffenstillstands mit Russland gehen. 

Zu den Gesprächen erwartet wurden neben Selenskyj zuletzt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Staats- und Regierungschefs von
Frankreich, Polen und Italien sowie der britische Außenminister David
Lammy. Zudem sollen Spitzenvertreter der Europäischen Union wie
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dabei sein. Eine
offizielle Bestätigung für den Termin und die Gästeliste gab es bis
zuletzt nicht. Lediglich ein Treffen Ruttes mit Selenskyj in der
Brüsseler Residenz des Nato-Generalsekretärs wurde am Dienstagabend
von der Nato bestätigt.

Wer könnte einen Waffenstillstand kontrollieren?

Ein Thema bei den Gesprächen könnte nach dpa-Informationen sein, wie
ein möglicher künftiger Waffenstillstand in der Ukraine überwacht
werden könnte. Als eine Option gilt dabei, eine internationale
Friedenstruppe in dem Land zu stationieren, das in die Nato strebt
und sich seit fast drei Jahren mit westlicher Hilfe gegen den
russischen Angriffskrieg stemmt.

Hintergrund der Überlegungen zu Sicherheitsgarantien ist die Annahme,
dass Donald Trump als US-Präsident versuchen könnte, die Ukraine und
Russland zu Verhandlungen zu drängen. Dafür könnte er der Ukraine
androhen, im Fall einer Weigerung die Militärhilfe einzustellen. Dem
russischen Präsidenten Wladimir Putin wiederum könnte er drohen, die
Militärhilfe für Kiew noch einmal auszubauen, falls der Kremlchef
sich Verhandlungen verweigern sollte.

Neues Nato-Ukraine-Kommando in Hessen nimmt Arbeit auf

Die Nato kündigte indes den Arbeitsbeginn des neuen Ukraine-Kommandos
in Wiesbaden an. Es trägt den Namen NSATU (Nato Security Assistance
and Training for Ukraine) und soll Verantwortung von
US-amerikanischen und internationalen Organisationseinheiten
übernehmen, die kurz nach Kriegsbeginn im Februar 2022 zur
Unterstützung der Ukraine eingerichtet wurden, wie das oberste
Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa mitteilte.

Der Aufbau des neuen Nato-Ukraine-Kommandos war im Sommer beim
Bündnisgipfel in Washington beschlossen worden. Es soll sich um die
Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für
die ukrainischen Streitkräfte kümmern.

Bis zuletzt wurden diese Aufgaben vor allem von den US-Streitkräften
wahrgenommen. Diese hatten dafür Ende 2022 im Europa-Hauptquartier
der US-Streitkräfte in Wiesbaden eine rund 300 Soldaten starke
Einheit mit dem Namen Security Assistance Group-Ukraine (SAG-U)
aufgebaut. Für die Nato sollen nun sogar rund 700 Mitarbeitende im
Einsatz sein, Deutschland stellt davon rund 40, mit Generalmajor
Hartmut Renk auch den stellvertretenden Kommandeur. Renk erläuterte
am Dienstag, dass neben Aufgaben der SAG-U auch solche des
internationalen Spenderkoordinationszentrums (IDCC) übernommen
würden.

Russland will Mord an General in UN zum Thema machen

Russland, das sich nach Angaben von Verteidigungsminister Andrej
Beloussow für eine direkte Konfrontation mit der Nato rüsten muss und
dazu in den nächsten zehn Jahren bereit sein soll, warnt indes immer
wieder vor einer weiteren Eskalation in dem Krieg, den der Kreml
selbst losgetreten hat. Unterstützung bekommen die russischen Truppen
von Soldaten aus Nordkorea, von denen nach Angaben des
US-Außenministeriums schon einige getötet wurden. Laut einem
ranghohen Militär, der von US-Medien zitiert wurde, sollen die
Verluste in die Hunderte gehen.

Das Bombenattentat auf den prominenten russischen General Igor
Kirillow in Moskau will Moskau an diesem Freitag (20. Dezember) auch
im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Sprache bringen. «Die
Verantwortlichen für dieses Verbrechen müssen verdientermaßen
bestraft und mit der unmissverständlichen Verurteilung durch die
gesamte internationale Gemeinschaft konfrontiert werden», sagte der
stellvertretende UN-Botschafter Russlands, Dmitri Poljanski. Bei der
UN-Sitzung soll es um die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine
und deren Folgen für eine friedliche Lösung in dem Krieg gehen.

Der ukrainische Geheimdienst SBU reklamierte das Mordattentat
inoffiziell als sein Werk. Die Sprecherin des russischen
Außenministeriums, Maria Sacharowa, macht aber auch den Westen, der
die Ukraine in ihrem Abwehrkrieg unterstützt, verantwortlich für die
Ermordung Kirillows und eines Adjutanten. Der Westen helfe der
Ukraine schon seit Jahren bei ihren «verbrecherischen Handlungen»,
sagte sie. 

Die Explosion ereignete sich am Dienstagmorgen, als Kirillow sein
Wohnhaus verließ und ein in einem geparkten Elektroroller
angebrachter Sprengsatz detonierte. In Russland hatte es bereits
mehrfach Bombenanschläge gegen Militärs und Propagandisten gegeben.

Ukrainische Soldaten sollen für Russland spioniert haben

Derweil erschüttert ein Fall von Spionage die Ukraine. Im russischen
Auftrag sollen ukrainische Soldaten die Bewegungen der Kampfjets F-16
und andere Militärgeheimnisse ausgekundschaftet haben. Vier
Armeeangehörige seien im Gebiet Dnipropetrowsk festgenommen worden,
teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft in Kiew mit.

Als Hauptverdächtiger gelte ein Russland wohlgesonnener Soldat. Er
habe drei Kameraden für das Sammeln von Informationen angeworben und
ihnen vorgetäuscht, er arbeite für ukrainische Geheimdienste. Der
Geheimdienst SBU sprach sogar von einem Netz aus zwölf Personen.
Einige von ihnen seien aus dem Armeedienst desertiert. Unabhängige
Bestätigungen für die Angaben gab es nicht.

Wo die wenigen von westlichen Ländern bereitgestellten F-16-Jets aus
US-Produktion stationiert sind und eingesetzt werden, ist eines der
wichtigsten militärischen Geheimnisse der Ukraine. Russland macht mit
Raketenangriffen auf Fliegerhorste wie Starokostjantyniw in der
Westukraine immer wieder Jagd auf die Maschinen.