Brüssel nimmt Deutschlands Wirtschaftslage unter die Lupe

18.12.2024 16:26

Wirtschaftliche Ungleichgewichte eines Landes können Folgen für
andere haben - siehe globale Finanzkrise. In der EU gibt es deshalb
ein Frühwarnsystem, bei dem nun auch Deutschland in den Fokus rückt.

Straßburg (dpa) - Die schlechte Wirtschaftslage Deutschlands und neun
anderer EU-Länder könnte aus Sicht der Europäischen Kommission
negative Folgen für die gesamte Staatengemeinschaft haben. Die
Brüsseler Behörde sieht bei den Staaten potenzielle makroökonomische

Ungleichgewichte, wie aus ihrem veröffentlichten sogenannten
Warnmechanismus-Bericht hervorgeht. Die Länder werden nun einer
vertieften Analyse unterzogen.

Warnmechanismus-Bericht soll mögliche Probleme schnell erkennen

Makroökonomische Ungleichgewichte in einem EU-Land - zum Beispiel ein
hohes Leistungsbilanzdefizit oder eine Immobilienblase - können sich
negativ auf andere Mitgliedsstaaten auswirken, heißt es von der
Kommission. Mit dem Warnmechanismus-Bericht (WMB) als Ausgangspunkt
sollen Ungleichgewichte überwacht, früh erkannt und bekämpft werden.


Basierend auf verschiedenen Indikatoren identifiziert der Bericht
Staaten, für die eine genauere Analyse, sogenannte In-depth Reviews
(IDR), als notwendig erachtet wird. Indikatoren sind etwa die
Arbeitslosenquote, der Schuldenstand, Kreditflüsse sowie
Immobilienpreise.

Dem Bericht zufolge ist eine solche Analyse für zehn Mitgliedstaaten
gerechtfertigt. Neben Deutschland sollen auch Zypern, Griechenland,
Italien, Ungarn, Estland, Rumänien, Slowakei, Schweden und die
Niederlande 2025 intensiver betrachtet werden.

Inflation und hohe Immobilienkosten

Die Entwicklung der Ungleichgewichte ist nach Kommissionsangaben
weitgehend auf die ungewöhnlich starke Inflation der letzten Jahre
zurückzuführen. Auch hohe Arbeitskosten stellten die Länder vor
Herausforderungen. Darüber hinaus seien Immobilienpreise in einigen
EU-Ländern nach wie vor ein wichtiges Thema. Trotz einer gewissen
Abschwächung stiegen die Preise weiter deutlich an.

Dombrovskis: Deutsche Schuldenbremse strenger als EU-Vorgaben

Jüngst hatte die EU-Kommission mitgeteilt, dass der von der
scheidenden Bundesregierung in Brüssel eingereichte Haushaltsplan für
das nächste Jahr gegen Empfehlungen der EU-Kommission zur Einhaltung
der europäischen Schuldenregeln verstößt. Die veranschlagten
Nettoausgaben dürften über den einschlägigen Obergrenzen liegen. Der

Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 wurde bislang nur - mit
bestehenden Lücken in Milliardenhöhe - vom Kabinett in Berlin
beschlossen. Erwartet wird nun, dass der Haushalt 2025 im Juli
beschlossen wird von der dann neuen Bundesregierung.

Neben der Sicherstellung der fiskalischen Nachhaltigkeit müsse aber
auch investiert werden, sagte EU-Wirtschaftskommissar Valdis
Dombrovskis. Die deutsche Schuldenbremse stelle dabei strengere
Anforderungen an die Bundesrepublik als die EU-Schuldenregeln. «Man
sollte darüber diskutieren, sie an die EU-Regeln anzupassen», sagte
er dem «Handelsblatt».

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse lässt nur in einem
begrenzten Umfang neue Schulden zu. Die Ampel-Koalition war an einem
Streit um die Schuldenbremse zerbrochen.