Scholz: Klimastrafen sollen Autohersteller nicht belasten

19.12.2024 23:53

Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise, in Brüssel äußert
sich Kanzler Scholz kritisch zu möglichen EU-Strafen für die
Hersteller. Damit ist er nicht alleine.

Brüssel (dpa) - Im kommenden Jahr drohende EU-Klimastrafen für
Autohersteller dürfen die Industrie nach Ansicht von Bundeskanzler
Olaf Scholz nicht belasten. Die EU-Kommission sollte einen Weg
finden, dass Strafzahlungen «nicht die finanzielle Liquidität der
Unternehmen, die jetzt in Elektromobilität, in moderne Produkte und
Fahrzeuge investieren müssen, beeinträchtigt», sagte Scholz (SPD) am

Rande eines EU-Gipfels in Brüssel. 

Nach derzeitiger EU-Gesetzeslage drohen ab kommendem Jahr hohe
Geldbußen für Autohersteller, weil die sogenannten Flottengrenzwerte
strenger werden. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen Hersteller
Strafe zahlen - im kommenden Jahr womöglich in Milliardenhöhe. Die
Umweltorganisation Transport&Environment bezweifelt, dass es zu
Strafen in dieser Höhe kommt.

Am späten Donnerstagabend nach dem Gipfel sagte Scholz: «Dass eine
technologische Modernisierung auch allseits akzeptiert wird, das kann
man nicht verordnen.» Es sei gerechtfertigt, von Strafzahlungen
abzusehen. Der Weg dahin sei kompliziert, «aber ich habe so vertiefte
Gespräche geführt, dass ich glaube, da wird einer gefunden werden.»

Das steht in Wahlprogrammen zu den Strafen

Auch in den Wahlprogrammen von CDU/CSU, AfD, SPD, Grünen und FDP
finden sich Forderungen zu Flottengrenzwerten. Die Union fordert eine
Überprüfung und Verhinderung von Strafzahlungen. «Wir setzen uns
dafür ein, dass die deutschen Automobilhersteller aktuell keine
Strafzahlungen im Zusammenhang mit den CO2-Flottengrenzwerten an
Brüssel leisten müssen», steht im SPD-Programm. 

Die Grünen setzen sich dafür ein, die Ziele der Flottengrenzwerte
beizubehalten. «Mögliche Strafzahlungen sollen gegebenenfalls
gestreckt und für den Hochlauf der E-Mobilität durch europäische
Programme genutzt werden.» Die FDP will die Flottengrenzwerte ganz
abschaffen. Auch die AfD fordert in ihrem Wahlprogrammentwurf eine
Aufhebung. 

Kommission startet Dialog mit Autoindustrie im Januar

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte nun an, unter
anderem mit Autoherstellern, Gewerkschaften und Industrieverbänden im
Januar einen Dialog zur Zukunft der Autoindustrie zu starten. Dabei
soll es etwa um Nachfragesteigerung, bessere finanzielle Ressourcen
des Sektors und die EU-Klimaziele gehen, teilte die EU-Kommission
mit. 

Die Treffen sollen zu Empfehlungen führen, die dazu beitragen, die
verschiedenen Herausforderungen der Autoindustrie zu bewältigen.
Unter Umständen sollen dafür auch EU-Gesetze geändert werden. Das
erste Treffen des Dialogs soll unter der Führung von der Leyens
stattfinden, an weiteren Treffen sollen EU-Kommissare teilnehmen. 

Kritik auch aus Bundesländern und anderen Staaten

Jüngst forderten parteiübergreifend auch die Ministerpräsidenten von

Bayern, Markus Söder (CSU), Niedersachsen, Stephan Weil (SPD), und
Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), die Kommission auf,
die ab 2025 drohenden Strafzahlungen auszusetzen. Diesen Freitag soll
der Bundesrat über eine Initiative aus dem Saarland abstimmen. Darin
wird gefordert, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen soll,
die geplanten Strafzahlungen auszusetzen.

Kritik an möglichen Strafen gibt es auch aus anderen EU-Staaten.
Jüngst hatten etwa Italien, Polen, Österreich, Bulgarien, Tschechien,
Rumänien und die Slowakei einen Brief geschrieben, in dem sie ihre
Sorge ausdrückten, dass der ohnehin angeschlagene Autoindustrie
weitere Nachteile durch Strafen drohten. Auch aus Frankreich gibt es
kritische Stimmen. 

Umweltschützer drängen hingegen darauf, die Gesetzeslage
beizubehalten. «Der Veränderungsdruck durch die EU-Grenzwerte mag für

manche Hersteller ungelegen kommen, aber er ist für das Klima und
auch für die Autobauer dringend nötig», sagte Marion Tiemann von
Greenpeace. Nach Angaben des Grünen-Europaabgeordneten Michael Bloss
muss für eine Reduktion der Strafen das entsprechende EU-Recht
geändert werden. Er sieht darin die Gefahr, dass das von
Konservativen dazu genutzt werden könnte, EU-Klimaambitionen
abzuschwächen.