Scholz nach Trump-Telefonat: Töten in der Ukraine muss enden
20.12.2024 01:12
Zum zweiten Mal nach Trumps Wahlsieg telefoniert Kanzler Scholz mit
dem künftigen US-Präsidenten. Anschließend zeigt er sich
zuversichtlich mit Blick auf ein zentrales Thema.
Brüssel (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich nach seinem
Telefonat mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump
zuversichtlich gezeigt, dass Europa und die USA bei ihrer
Unterstützung der Ukraine weiter an einem Strang ziehen werden. «Aber
natürlich mit einer klaren Perspektive, dass es einen fairen Frieden
für die Ukraine gibt, die ihre Souveränität verteidigen kann, und
dass das Töten endet», fügte Scholz auf einer Pressekonferenz nach
dem EU-Gipfel in Brüssel hinzu. «Für mich ist es ganz klar, dass wir
alles dafür tun müssen, dass das möglich wird.»
Es brauche auch mit einem Präsidenten Trump eine koordinierte
Ukraine-Politik mit den USA. «Mein Eindruck: Das ist auch gut
möglich.» Es war das zweite Gespräch des Kanzlers mit Trump seit
dessen Wahlsieg am 5. November. Am 20. Januar soll der Republikaner
in Washington als Nachfolger von Joe Biden vereidigt werden, unter
dessen Führung die USA zum wichtigsten Verbündeten und größten
Waffenlieferanten der Ukraine geworden sind. Dass Scholz bereits vor
dem Amtsantritt schon zum zweiten Mal mit dem künftigen Präsidenten
telefoniert, ist eher unüblich.
Scholz: Bodentruppen «gar kein Thema»
Zu Gedankenspielen über eine Friedenstruppe in der Ukraine bei einem
möglichen Waffenstillstand äußerte sich Scholz erneut ablehnend. Eine
konkrete Ausgestaltung einer Sicherheitsarchitektur sei «gegenwärtig
gar nicht wirklich vernünftig zu bereden», sagte er. «Es muss aber
etwas sein, das aus unserer Sicht auch transatlantisch strukturiert
ist», betonte er lediglich. Es habe aber «keine Diskussion über
Bodentruppe oder ähnliches gegeben, weil das gar kein Thema ist».
Selenskyj wünscht sich Truppenpräsenz
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der ebenfalls an dem
EU-Gipfel teilnahm, hatte die europäischen Staats- und
Regierungschefs zuvor allerdings aufgefordert, sich neuen
französischen Plänen für eine internationale Truppenpräsenz in der
Ukraine anzuschließen. Es sei entscheidend, dass Europa einen
bedeutenden Beitrag zu Sicherheitsgarantien für sein Land leiste,
sagte Selenskyj in einer Rede beim Gipfel. Die Ukraine unterstütze
die Pariser Initiative für ein Militärkontingent in der Ukraine im
Rahmen dieser Garantien und fordere andere Partner auf, sich diesem
Einsatz anzuschließen. «Dies wird helfen, den Krieg zu beenden»,
sagte Selenskyj.
Details zu der französischen Initiative nannte der ukrainische
Präsident nicht. Als wahrscheinlich gilt, dass er sich auf
Überlegungen für eine Friedenstruppe zur Absicherung eines möglichen
Waffenstillstandes bezieht. Denkbar ist aber auch eine Truppenpräsenz
für militärische Ausbildungsprogramme für die ukrainischen
Streitkräfte. Auch diese könnten eine Sicherheitsgarantie für die
Ukraine darstellen.
Was macht Trump nach der Amtseinführung?
Hintergrund für die aktuellen Diskussionen über eine mögliche
Friedenstruppe für die Ukraine ist das Szenario, dass Trump als
US-Präsident möglicherweise versuchen wird, die Ukraine und Russland
zu Waffenstillstandsverhandlungen zu drängen. Dafür könnte er der
Ukraine androhen, im Fall einer Weigerung die Militärhilfe zu
stoppen.
Für den Fall, dass Trump die Unterstützung ganz einstellen sollte,
zeichnete Selenskyj ein düsteres Bild: «Es ist sehr schwierig, die
Ukraine ohne die Hilfe der USA zu unterstützen, und genau das werden
wir mit Präsident Trump besprechen, wenn er im Weißen Haus ist.»
Kein Weihnachtsfrieden an der Front
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban erneuerte zum Abschluss
des EU-Gipfels seinen Vorschlag einer Waffenruhe «wenigstens über die
drei orthodoxen Weihnachtsfeiertage». «Wir müssen Leben retten»,
sagte er. Er verstehe auch nicht, warum Russland und die Ukraine zum
Fest nicht 700 Gefangene austauschen könnten.
Selenskyj hatte beides schon vorher abgelehnt. Der ungarische
Vorschlag sei weihnachtlich, sagte er - aber Orban sei wegen seiner
Nähe zu Moskau nicht als Vermittler geeignet. Die Ukraine habe in
Verhandlungen mit Russland schon 3500 ihrer Gefangenen heimgeholt und
werde dies fortsetzen.
Ungarn hatte mit diesem Austausch bislang nur am Rande zu tun,
wichtige Akteure sind Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen
Emirate und die Türkei. Eine Waffenruhe scheitert daran, dass beide
Seiten befürchten, die andere Seite könnte in der Zeit ihre Stellung
verbessern.
Seine Zustimmung zur Verlängerung der Ende Januar auslaufenden
Russland-Sanktionen hat Orban beim EU-Gipfel verweigert. Wie die
Deutsche Presse-Agentur von mehreren Teilnehmern des Spitzentreffens
in Brüssel erfuhr, sagte der Ungar den anderen Staats- und
Regierungschefs, er müsse über die Sache noch nachdenken. Eine
Entscheidung will er demnach erst nach Trumps Amtseinführung treffen.
Orban hatte die Sanktionen wiederholt als nutzlos und schlecht für
die europäische Wirtschaft kritisiert.
Russen rücken im Donbass weiter vor
Unterdessen meldete das ukrainische Militär weiter schwere Gefechte
aus dem Osten des Landes. Russische Soldaten hätten das Dorf Trudowe
südlich von Kurachowe im Gebiet Donezk erobert, berichtete der
ukrainische Militärblog «DeepState». Der Generalstab in Kiew nannte
am Donnerstagabend Kurachowe und Pokrowsk als Schwerpunkte der
Kämpfe.
Unter Druck sind ukrainische Truppen auch in dem Brückenkopf, den sie
immer noch im russischen Gebiet Kursk halten. Allein dort habe es am
Donnerstag 48 russische Sturmangriffe gegeben, teilte der Generalstab
mit. Die russische Armee setzt bei Kursk auch nordkoreanische
Soldaten ein. Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte am
Donnerstag, im Pentagon gehe man davon aus, dass mehrere Hundert
Nordkoreaner verletzt oder getötet worden seien.