Durchbruch: EU und Schweiz wollen Partnerschaft stärken

20.12.2024 16:25

Die EU-Skepsis ist in der Schweiz groß, aber vor allem die Wirtschaft
drängt auf eine engere Kooperation. Nun gibt es nach langen
Verhandlungen ein Ergebnis - bis zur Umsetzung wird es noch dauern.

Bern (dpa) - Die Europäische Union und die Schweiz wollen ihre
Partnerschaft dauerhaft festigen. Jahrelange Verhandlungen zwischen
Bern und Brüssel über eine Aktualisierung bestehender
Kooperationsabkommen und mögliche neue Abkommen wurden zur
Zufriedenheit beider Seiten abgeschlossen, wie
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Schweizer
Präsidentin Viola Amherd in Bern sagten. 

Die Umsetzung ist aber noch nicht garantiert, weil in der
EU-kritischen Schweiz eine Volksabstimmung droht. Bis sie
stattfindet, können noch Jahre vergehen.

Kritik und Freude

Gewerkschaften kritisierten das Paket schon, weil sie Druck auf die
hohen Schweizer Löhne fürchten, zum Beispiel, weil EU-Bürgern bei
Arbeiten in der Schweiz nur die niedrigeren Spesen ihrer Heimatländer
zustehen sollen.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee begrüßte
die Einigung. Klare und stabile Rahmenbedingungen seien unerlässlich,
um den grenzüberschreitenden Handel und die enge Zusammenarbeit mit
der Schweiz langfristig zu sichern, teilte sie mit.

«Heute ist ein Tag großer Freude», sagte von der Leyen. «Das Abkomm
en
macht unsere Partnerschaft zukunftsfest.» Präsidentin Amherd sagte:
«Der heutige Tag ist ein Meilenstein für die Stabilisierung und die
Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen.»

Nicht in der EU, aber im Schengenraum 

Die Schweizer Regierung hatte sich vor mehr als 30 Jahren für einen
EU-Beitritt ausgesprochen, doch lehnte das Volk 1992 allein schon den
Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit 50,3 Prozent ab.
Seitdem sind rund 25 bilaterale Abkommen geschlossen worden. So hat
die Schweiz schon weitgehenden Zugang zum EU-Binnenmarkt, im Gegenzug
gilt mit gewissen Auflagen die Personenfreizügigkeit. 

Viele Abkommen sind wegen Gesetzesänderungen in der EU aber nicht
mehr zeitgemäß und sollen modernisiert werden. Dazu gehört eine
dynamische Rechtsübernahme, wobei die Schweiz ihre Bestimmungen
aktualisiert, um die Harmonie mit EU-Regeln zu wahren. 

Neu soll die Schweiz ab 2030 jedes Jahr 375 Millionen Euro zur
Förderung strukturschwacher Regionen in der EU zahlen. EU-Studenten
sollen gleich hohe Studiengebühren an Schweizer Universitäten zahlen
wie einheimische. Zusätzliche Abkommen wurden unter anderem beim
Gesundheitsschutz und der Weltraumforschung geschlossen.

Keine schnelle Umsetzung in Sicht

Bei der Personenfreizügigkeit geht es um Arbeitnehmende - wer ohne
Job in der Schweiz leben will, muss nachweisen, dass er die nötigen
Mittel dafür hat, wie die Regierung präzisiert. Die Schweiz gehört
auch zum Schengenraum der EU-Länder, die auf systematische
Personenkontrollen an den Grenzen verzichten. Sie arbeitet mit der EU
zudem in Bereichen wie Asyl, Landwirtschaft, Informationsaustausch
Banken, Emissionshandel und Polizei zusammen.

Wie geht es weiter? Die Schweiz will das Vertragspaket bis Sommer
juristisch aufbereiten und nötige innenpolitische Anpassungen auf den
Weg bringen. Dann begutachtet die Regierung das Ganze und will bei
positiver Begutachtung unterschreiben, sagte Außenminister Ignazio
Cassis. Dann geht das Paket ins Parlament. Die wählerstärkste Partei,
die SVP, lehnt das Paket ab und will alles so lange wie möglich
hinauszögern. Sie will eine Volksabstimmung durchsetzen. Es könnte
bis 2027 oder 2028 dauern, ehe das Gesamtpaket in Kraft tritt.