Baerbock erwartet auch von nächster Regierung Ukraine-Hilfe

29.12.2024 08:46

Deutschland ist einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine - und
sollte es aus Sicht der Außenministerin auch nach der Neuwahl
bleiben. Bei der Stromversorgung setzt Kiew auf Rückendeckung der EU.

Berlin/Kiew (dpa) - Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)
erwartet von der künftigen Bundesregierung, dass sie die Ukraine bei
der Verteidigung gegen Russlands Aggression weiter unterstützt.
«Keine Bundesregierung, der die Sicherheit Deutschlands und Europas
am Herzen liegt, wird die Menschen in der Ukraine allein lassen»,
sagte die Grünen-Politikerin der «Bild am Sonntag». «Denn nur ein
gerechter Frieden für die Ukraine sichert unseren Frieden in Freiheit
in Europa.» Die Ukraine könne sich auf Deutschland verlassen, auch
über die Bundestagswahlen hinaus. Bei der Energieversorgung wiederum
verlässt sich die Ukraine auf Stromimporte aus der EU.

Am 24. Februar jährt sich der Einmarsch der Russen in die Ukraine zum
dritten Mal. Einen Tag vorher findet die vorgezogene Bundestagswahl
statt. Seit Kriegsbeginn gehört Deutschland zu den wichtigsten
Unterstützern der Ukraine, nur die USA haben als größter
Waffenlieferant eine noch gewichtigere Rolle - wobei in Kiew
befürchtet wird, dass der designierte US-Präsident Donald Trump die
Unterstützung des Landes drastisch zurückfahren und eine Art
Diktatfrieden mit Gebietsverzichten zugunsten Russlands durchsetzen
könnte.

Baerbock: Putin ist «auf absolute Zerstörung aus»

Die Brutalität der Angriffe der vergangenen Tage zeige, dass der
russische Präsident Wladimir Putin weiter «auf absolute Zerstörung
aus» sei, sagte Baerbock der «Bild am Sonntag». «Die Unterstützun
g
der Ukraine ist daher weiterhin ein absoluter Selbstschutz unserer
eigenen Sicherheit und unseres Friedens.» Für die Außenministerin ist

klar: «Ein echter Frieden bedeutet, dass kein Unrecht zementiert
wird.»

Die Ukraine brauche für eine ausgehandelte Friedenslösung deshalb
mehr als Worte, betonte Baerbock. «Nur verlässliche, langfristig
angelegte und vor allem wirklich belastbare Sicherheitsgarantien
werden Putin von weiteren Eroberungsfeldzügen abhalten. Nur dann wird
es für die Ukraine einen nachhaltigen Frieden und Stabilität geben.»


Ob es dazu kommen und Putin seinen Eroberungsfeldzug dauerhaft
stoppen wird, ist jedoch fraglich. Einstweilen gehen die
gegenseitigen Luftangriffe und Kämpfe am Boden weiter, wobei die
Ukrainer seit Wochen verstärkte Drohnen- und Raketenattacken auf die
Energieversorgung des Landes erleben, wie es sie schon in den beiden
Kriegswintern zuvor gegeben hatte. In der Folge kam es in
verschiedenen Landesteilen immer wieder zu erzwungenen
Stromabschaltungen. Das russische Militär will mit dieser Strategie
die Zivilbevölkerung zermürben.

Ukraine baut auf Strom aus der EU

Stromimporte aus der Europäischen Union sind daher besonders wichtig
für die Ukraine. Von den EU-Partnern erhalte sein Land etwa 19
Prozent des eigenen Strombedarfs, sagte der ukrainische Präsident
Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. «Ich habe
unsere Regierungsbeamten angewiesen, gemeinsam mit der Europäischen
Kommission, gemeinsam mit allen unseren Partnern in Europa alles zu
tun, um die Stabilität des vereinten europäischen Energiesystems und
die europäischen Energieregeln zu bewahren», sagte Selenskyj.

Damit schien er vor allem auf den slowakischen Regierungschef Robert
Fico abzuzielen, der der benachbarten Ukraine nach einem Treffen mit
Putin in Moskau mit der Einstellung von Stromlieferungen gedroht
hatte. «Egal, was Putin zu Fico gesagt hat, als er im Kreml war, die
europäischen Regeln müssen stärker sein als die Bindungen eines
bestimmten Charakters an Moskau», sagte Selenskyj.

Fico hatte mit «adäquaten Gegenmaßnahmen» gedroht, falls die Ukrain
e
wie geplant zum 1. Januar die Durchleitung russischen Gases in die
Slowakei stoppen sollte. «Wenn es unvermeidlich ist, dann werden wir
die Stromlieferungen einstellen, die die Ukraine dringend braucht,
wenn sie Versorgungsengpässe hat», sagte der Slowake.

«Eine zweite Energie-Front gegen die Ukraine»

Die Slowakei gehört seit 2004 sowohl der Nato als auch der
Europäischen Union an. Zwar hat das Land, anders als der südliche
Nachbar Ungarn, bisher ausnahmslos alle von der EU beschlossenen
Ukraine-Hilfen sowie sämtliche gegen Russland gerichtete Sanktionen
unterstützt. Im auffallenden Kontrast dazu fällt der Linkspopulist
Fico aber immer wieder durch öffentliche Kritik an der
Ukraine-Politik von EU und Nato auf.

Selenskyj wertete die Drohung Ficos als einen Auftrag aus dem Kreml.
«Es sieht so aus, als ob Putin Fico den Befehl gegeben hat, eine
zweite Energie-Front gegen die Ukraine auf Kosten der Interessen der
Slowaken zu eröffnen», schrieb Selenskyj auf der Plattform X.

Briten unterstützen Aufklärung von Kriegsverbrechen

Derweil will Großbritannien die Aufklärung russischer
Kriegsverbrechen in der Ukraine mit einer Millionensumme
unterstützen. Das Verteidigungsministerium stellt dafür 4,5 Millionen
Pfund (etwa 5,4 Mio. Euro) zur Verfügung, wie die britische
Nachrichtenagentur PA meldete. Das Geld soll unter anderem an die
ukrainische Generalstaatsanwaltschaft gehen - zur Dokumentation und
Untersuchung mutmaßlicher Kriegsverbrechen sowie zur Strafverfolgung.
«Die Grausamkeiten, die wir in der Ukraine gesehen haben, sind
entsetzlich - es kann keinen anhaltenden Frieden ohne Rechenschaft
geben», teilte Außenminister David Lammy mit.

Amnesty prangert Kriegsverbrechen gegen Kinder an

Amnesty International wirft Russland auch Kriegsverbrechen gegen
Kinder vor. Die Menschenrechtsorganisation hat nach eigenen Angaben
mithilfe von 120 Videos 17 Vorfälle allein im Jahr 2024 verifizieren
können, bei denen Kinder zu Schaden gekommen seien. Die Genfer
Konvention ächtet absichtliche Angriffe auf Zivilisten, Mitarbeiter
von Hilfsorganisationen, Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen und
religiöse Einrichtungen und sieht in ihnen Kriegsverbrechen. 

Zu den Verbrechen, die dem russischen Militär vorgeworfen werden,
gehören unter anderem die Tötung zahlreicher Kriegsgefangener sowie
das Massaker von Butscha, bei dem etliche Zivilisten in einem Vorort
von Kiew umgebracht wurden. Außerdem beschuldigt die ukrainische
Seite die Invasoren, Tausende Kinder aus den besetzten Gebieten
entführt zu haben - vor allem deswegen hat der Internationale
Strafgerichtshof im März 2023 Haftbefehl gegen Kremlchef Putin
erlassen.