EU stärkt Ukraine im Gastransit-Streit mit der Slowakei
31.12.2024 05:02
Die Ukraine stellt mit Jahresbeginn den Transit von russischem Gas
ein. Das stellt das EU-Mitglied Slowakei vor Probleme. Die
EU-Kommission allerdings kann diese nicht nachvollziehen.
Brüssel/Kiew (dpa) - Im Gastransit-Streit zwischen der Ukraine und
dem EU-Mitglied Slowakei stärkt die Europäische Kommission Kiew den
Rücken. Eine Sprecherin der Kommission in Brüssel machte klar, die EU
sei auf den Stopp des Transits russischen Gases durch das
kriegsgeplagte Land vorbereitet; die europäische Gasinfrastruktur sei
flexibel genug, um Gas nicht-russischen Ursprungs über alternative
Routen nach Mittel- und Osteuropa zu liefern. Derweil sicherte
Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine weitere Unterstützung in ihrem
Abwehrkampf gegen Russland zu.
Die Ukraine, die sich seit fast drei Jahren gegen einen russischen
Angriffskrieg wehrt, stellt mit Jahresbeginn den Transit von
russischem Gas ein. Ein entsprechender Transitvertrag läuft ab, Kiew
hatte lange im Voraus angekündigt, ihn nicht zu verlängern. Der Stopp
der Durchleitung stellt in der EU die Slowakei vor Probleme, ebenso
das Nichtmitglied Moldau. Der slowakische Regierungschef Robert Fico
hatte der Ukraine am Freitag gedroht, sein Land könne im Gegenzug die
Lieferung von Strom stoppen.
Am Sonntag schrieb Fico in einem Brief an die EU-Kommission, die
«stillschweigende Akzeptanz der einseitigen Entscheidung» des
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjs, den Transit von
russischem Gas zu unterbinden, sei falsch und irrational und werde zu
«verstärkten Spannungen und gegenseitigen Maßnahmen» führen. Sein
er
Einschätzung nach würde die Unterbrechung des Gas-Transports der EU
mehr schaden als Russland.
Die Sprecherin der EU-Kommission sagte dazu: «Die Auswirkungen des
Endes des Transits über die Ukraine auf die Versorgungssicherheit der
EU sind begrenzt.» Die Behörde arbeite in Abstimmung mit den
Mitgliedstaaten seit mehr als einem Jahr an der Vorbereitung auf ein
Szenario ohne den Transit russischen Gases durch die Ukraine und an
der Sicherstellung alternativer Lieferungen für die betroffenen
Mitgliedstaaten. Europas Gasinfrastruktur sei unter anderem durch
erhebliche Importkapazitäten von Flüssiggas (LNG) verstärkt worden.
Scholz versichert Bürgern, Ukraine weiter zu unterstützen
Bundeskanzler Scholz sagte in seiner Neujahrsansprache nach dem vorab
verbreiteten Redetext, viele in Deutschland blickten mit einem Gefühl
wachsender Beklemmung auf Russlands brutalen Angriffskrieg gegen die
Ukraine. «Ich versichere Ihnen, dass wir die Ukraine nicht alleine
lassen und weiter unterstützen wie niemand sonst in Europa - und dass
wir weiter kühlen Kopf bewahren, damit der Krieg sich nicht
ausweitet.»
Selenskyj: US-Hilfen stärken Front
Derweil bedankte sich der ukrainische Präsident Selenskyj für die
jüngsten milliardenschweren US-Hilfen. «Dies wird in naher Zukunft
die Front stärken, uns helfen, russische Angriffe abzuwehren, und die
Ukraine bei der Rettung von Menschenleben unterstützen», sagte er in
seiner abendlichen Videoansprache. Diese Unterstützung komme zu einem
kritischen Zeitpunkt, da Russland seine Angriffe intensiviere, sogar
nordkoreanische Soldaten einbeziehe und weiterhin Waffen aus
Nordkorea und dem Iran erhalte.
Kurz vor Jahresschluss hatte die scheidende US-Regierung von
Präsident Joe Biden der Ukraine noch einmal milliardenschwere Hilfen
zugesagt. Der Präsident selbst kündigte Militärhilfen im Wert von
knapp 2,5 Milliarden US-Dollar (2,36 Mrd. Euro) an. Sie umfassen zum
einen Waffen und Munition im Wert von 1,25 Milliarden US-Dollar für
das ukrainische Militär sowie weitere 1,22 Milliarden US-Dollar
Sicherheitshilfe.
Zudem kündigte US-Finanzministerin Janet Yellen an, der Ukraine 3,4
Milliarden US-Dollar (3,27 Milliarden Euro) als Haushaltshilfe
auszuzahlen. Bei den von Biden und Yellen angekündigten Summen
handelt sich um Mittel, die bereits vom US-Kongress freigegeben
wurden.
Zusätzlich begann die Auszahlung eines US-Kredits an die Ukraine über
15 Milliarden US-Dollar als Teil eines großen Hilfspakets der Gruppe
von sieben großen demokratischen Industriestaaten (G7). Das sei
zwischen der Weltbank als Verwalterin des Geldes und dem
Finanzministerium in Kiew vereinbart worden, teilte der ukrainische
Ministerpräsident Denys Schmyhal mit. Das Geld solle für soziale und
humanitäre Zwecke verwendet werden. Abgesichert ist die Summe zum
Ärger Moskaus durch Zinseinkünfte auf russisches Staatsvermögen, das
im Westen eingefroren ist.
Die USA sind der größte Unterstützer der Ukraine in ihrem Abwehrkampf
gegen Russland. Ungewiss ist, welchen Kurs Bidens Amtsnachfolger
Donald Trump einschlagen wird, der am 20. Januar als 47. US-Präsident
vereidigt wird.
Im Jahr 2024 bekam die kriegsgeplagte Ukraine knapp 40 Milliarden
Euro ausländischer Finanzhilfe zur Stützung ihres Haushalts. Diese
Zahl teilte das Finanzministerium in Kiew am vorletzten Tag des
Jahres mit. Etwa 30 Prozent der Hilfen seien als Zuschuss gewährt
worden, der Rest als Kredite zu günstigen Bedingungen. «Im Jahr 2024
konnten wir damit alle vorrangigen sozialen und humanitären Ausgaben
abdecken», sagte Finanzminister Serhij Martschenko.
Gefangenenaustausch und Angriffe
Kurz vor dem Neujahrsfest tauschten Russland und die Ukraine noch
einmal Kriegsgefangene aus. Nach Angaben des russischen
Verteidigungsministeriums ging es dabei um jeweils 150 Gefangene.
Selenskyj teilte dagegen mit, dass es gelungen sei, 189 Ukrainer nach
Hause zu holen. Beide Seiten dankten den Vereinigten Arabischen
Emiraten für deren Vermittlung.
Die russische Kleinstadt Lgow im Grenzgebiet Kursk wurde nach
Behördenangaben zum zweiten Mal binnen weniger Tage von der
ukrainischen Armee mit Raketen beschossen. Dabei dementierte die
regionale Verwaltung größere Schäden. Videos aus der Stadt zeigten
aber Brände und legten nahe, dass es durchaus Treffer gab. Nach
inoffiziellen ukrainischen Angaben dient Lgow russischen Truppen als
Aufmarschgebiet, um ukrainische Soldaten aus ihrem Brückenkopf im
Gebiet Kursk zu vertreiben.
Die Nacht auf Dienstag begann für die Ukraine mit Luftalarm in
mehreren Gebieten, weil am Himmel russische Kampfdrohnen geortet
wurden. «Bleiben Sie in Schutzräumen!», warnte der Bürgermeister de
r
Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, auf seinem Telegramkanal. Zugleich
berichteten proukrainische Telegramkanäle von Explosionen nahe dem
Marinehafen Sewastopol auf der von Russland annektierten Halbinsel
Krim. Die Besatzungsverwaltung bestätigte, dass die Flugabwehr
ukrainische Drohnen bekämpfe.
In der westlich von Moskau gelegenen Region Smolensk brannte es nach
Angaben des dortigen Gouverneurs, Wassili Anochin, auf dem Gelände
eines Öldepots. Nach vorläufigen Information seien Wrackteile einer
Drohne auf das Gelände gefallen, schrieb Anochin auf seinem
Telegram-Kanal. Dadurch sei Treibstoff ausgelaufen und Brenn- und
Schmiermittel hätten sich entzündet. Für Wohngebäude bestehe keine
Gefahr.