Handschlag nur für Männer: Baerbock beim Islamisten-Chef
04.01.2025 10:08
Ein als Terrorist eingestufter Islamist ist der neue starke Mann in
Syrien. Zu Besuch kommt eine deutsche Politikerin, die für
Frauenrechte streitet. Die Begrüßung wird nicht unkompliziert.
Berlin/Damaskus (dpa) - Feministische Außenpolitik - das ist nach dem
Willen von Annalena Baerbock der rote Faden, der sich durch die
deutsche Diplomatie zieht. Bei Ihrem Besuch in Syrien, wo seit vier
Wochen Islamisten herrschen, wurde deutlich, wie Frauenrechte dort
betrachtet werden.
Machthaber Ahmed al-Scharaa, bis vor kurzem im Westen als Terrorist
geächtet, begrüßte die Außenministerin nicht per Handschlag, streck
te
aber ihrem französischen Kollegen Jean-Noël Barrot die Hand entgegen.
Barrot erwiderte die Geste - wenn auch nur zögerlich. Baerbock blieb
da nur, ihre eigenen Hände ineinanderzulegen und zu nicken.
«Es lebe die feministische Außenpolitik!», kommentierte noch am Abend
AfD-Chefin Alice Weidel die holprige Begrüßung. Und der satirische
Parodie-Account auf X, der Baerbock regelmäßig auf die Schippe nimmt,
witzelte, «die neuen Syrer*innen» respektierten sie so sehr, dass sie
sich nicht trauten, ihre Hand zu berühren.
Baerbock ahnte schon, dass es keinen Handschlag geben werde
Ist das Verhalten des Islamisten al-Scharaa, der neuerdings statt
Militäruniform Anzug trägt, ein Ausdruck der Respektlosigkeit
gegenüber der Grünen-Politikerin und seiner Frauenfeindlichkeit
generell? Ganz so einfach ist es nicht: Der Händedruck zwischen einem
fremden Mann und einer fremden Frau ist in islamisch geprägten
Gesellschaften unter Gläubigen unüblich - und aus Sicht mancher
Rechtsgelehrter sogar verboten. Es gibt aber keine eindeutige Regel
und keine dominierende, religiöse Sitte.
Baerbock, die bei der Begegnung kein Kopftuch trug, sagte dazu später
auf Nachfrage einer Journalistin, ihr sei bereits bei der Ankunft
klar gewesen, dass es keinen Handschlag geben werde. In dem Gespräch
mit al-Scharaa habe sie aber sehr deutlich gemacht, dass Frauenrechte
ein Gradmesser dafür seien, wie frei eine Gesellschaft sei. Aus
Delegationskreisen war zu hören, dass al-Scharaa am Ende des
Gesprächs noch mal die Hand ausgestreckt habe, es dann aber nicht
mehr zu einem Handschlag gekommen sei.
Kein EU-Geld für neue islamistische Strukturen
Baerbock selbst redete bei aller diplomatisch gebotenen Höflichkeit
während ihres Besuchs öffentlich Klartext und stellte der neuen
syrischen Führung klare Bedingungen für die Unterstützung Europas.
«Es braucht jetzt einen politischen Dialog unter Einbeziehung aller
ethnischen und religiösen Gruppen, unter Einbeziehung aller Menschen,
das heißt insbesondere auch der Frauen in diesem Land», sagte sie.
Europa werde Syrien unterstützen, aber nicht zum Geldgeber neuer
islamistischer Strukturen werden.
Die Skepsis erscheint vielen berechtigt: Al-Scharaa ist Anführer der
islamistischen Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die den
Sturz von Langzeit-Herrscher Baschar al-Assad maßgeblich
herbeigeführt hatte. Er war früher unter seinem Kampfnamen Abu
Mohammed al-Dscholani bekannt. Die Gruppe HTS ging aus der
Al-Nusra-Front hervor, einem Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.