Gespräche über Mitte-Regierung in Österreich gescheitert

04.01.2025 23:21

Kanzler Nehammer wollte eine Regierung ohne den Wahlsieger FPÖ
schmieden. Damit ist er gescheitert. Die Rechtspopulisten wittern nun
ihre Chance.

Wien (dpa) - Gut drei Monate nach dem Wahlsieg der FPÖ in Österreich
sind Gespräche über eine Mitte-Regierung ohne die Rechtspopulisten
gescheitert. Die konservative ÖVP habe ihre Gespräche mit der
sozialdemokratischen SPÖ beendet, teilte Kanzler und ÖVP-Chef Karl
Nehammer mit. Gleichzeitig kündigte er an, in den kommenden Tagen als
Regierungs- und Parteichef zurückzutreten. 

Erst am Freitag waren die liberalen Neos nach wochenlangem Ringen
überraschend aus Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ über eine
Ampel-Koalition ausgestiegen. Danach setzten die zwei verbliebenen
Parteien die Gespräche am Samstagnachmittag fort. Bereits am Abend
waren die Verhandlungen jedoch schon wieder zu Ende.

Nehammer beharrt auf seiner Ablehnung der Kickl-FPÖ

«Es ist augenscheinlich, dass die destruktiven Kräfte in der SPÖ die

Oberhand gewonnen haben», sagte Nehammer in einer Videobotschaft. Die
ÖVP werde keinem wirtschafts- und leistungsfeindlichen Programm
zustimmen, betonte er. 

Gleichzeitig machte Nehammer klar, dass er weiterhin nicht bereit
sei, mit der rechten FPÖ unter Parteichef Herbert Kickl
Koalitionsgespräche zu führen. «Es ist meine tiefe Überzeugung, das
s
Radikale für kein einziges Problem eine Lösung bieten», sagte
Nehammer.

Der Kanzler hatte die FPÖ unter der Führung Kickls unter anderem
wegen dessen Russland-freundlicher Haltung und wegen mangelnder
Abgrenzung von rechtsextremen Gruppen wie den Identitären abgelehnt.
Der Wirtschaftsflügel seiner Partei bevorzugt hingegen eine Koalition
mit der FPÖ statt mit den Sozialdemokraten.

SPÖ-Chef befürchtet nun «rechtsextremen» Kanzler Kickl

SPÖ-Chef Andreas Babler machte in einer Stellungnahme diese Kräfte
unter den Konservativen für das Scheitern einer möglichen Großen
Koalition verantwortlich. «Jener Flügel hat sich durchgesetzt, der
von Anfang an mit den Blauen geliebäugelt hat», sagte er unter
Verweis auf die Parteifarbe der FPÖ. Jetzt drohe «ein rechtsextremer
Kanzler», sagte Babler.

Wer Nehammer nachfolgen wird, war vorerst ebenso unklar wie die
Frage, ob die ÖVP nun als möglicher Juniorpartner mir der FPÖ
verhandelt, oder ob Neuwahlen ausgerufen werden.

Gerüchte über Comeback von Sebastian Kurz 

Österreichische Medien hatten in den vergangenen Tagen Ex-Kanzler
Sebastian Kurz unter Berufung auf konservative Kreise als möglichen
neuerlichen ÖVP-Chef ins Spiel gebracht. Kurz hatte von 2017 bis 2019
als Kanzler mit der FPÖ und danach mit den Grünen regiert.

Wegen Korruptionsermittlungen gegen ihn zog er sich 2021 aus der
Politik zurück. Die Untersuchungen zu den Vorwürfen, die Kurz
bestreitet, laufen noch. Kurz hat sich zu den Gerüchten über ein
mögliches Comeback noch nicht geäußert. Neben Kurz kursiert auch der

Name von EU-Ministerin Karoline Edtstadler für die Nachfolge von
Nehammer.

Meinungsforscher sehen FPÖ weiter im Aufwind

Nun liege der Ball bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen,
sagte FPÖ-Chef Kickl mit Blick auf einen möglichen Regierungsauftrag,
der ihm bisher verwehrt worden war. «Er ist nach den Ereignissen des
heutigen Tages unter Zugzwang», sagte Kickl. 

Die FPÖ hatte die Wahl Ende September gewonnen. Die drei
Mitte-Parteien hatten danach versucht, eine Koalition zu schmieden
und die Rechten von der Macht fernzuhalten. Auch Van der Bellen hätte
solch eine Regierung bevorzugt.

Sollte es zu Neuwahlen kommen, könnte die rechtspopulistische FPÖ auf
einen fulminanten Sieg hoffen. Letzte Umfragen signalisierten ein
weiteres großes Stimmen-Plus im Vergleich zur Nationalratswahl.
Danach könnte die FPÖ ihr Ergebnis von 29 Prozent noch einmal
deutlich auf rund 35 Prozent steigern.