EVP: Wirtschaft mit umfassendem Bürokratieabbau ankurbeln

18.01.2025 14:36

Spitzenvertreter der Europäischen Volkspartei beraten über ihre
Schwerpunkte für 2025. Im Mittelpunkt stehen Wirtschaft, illegale
Migration und Sicherheit. Und der neue US-Präsident.

Berlin (dpa) - Mit einem umfassenden Bürokratieabbau will die
Europäische Volkspartei (EVP) die Wirtschaft ankurbeln und
Arbeitsplätze schaffen. Die EVP werde sich dafür stark machen, die
europäische Lieferkettenrichtlinie und die Nachhaltigkeitsrichtlinie
für mindestens zwei Jahre komplett auszusetzen, sagte
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zum Abschluss einer Klausur von
Spitzenvertretern der europäischen bürgerlich-konservativen
Parteienfamilie EVP in Berlin. Die EVP bereitete sich bei ihrem
Treffen auch auf die Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump an
diesem Montag vor.

Merz forderte eine abgestimmte Reaktion auf Trump. «Solange die
europäischen Mitgliedsstaaten vereint sind, werden sie in der Welt
respektiert, auch in den USA. Und solange sie gespalten sind, wird
uns niemand ernst nehmen», sagte er. Die Amtseinführung Trumps «wird

unsere Bemühungen beschleunigen, unsere Kräfte zu bündeln und
gemeinsam zu handeln». Trump sei sehr gut kalkulierbar. «Er tut, was
er sagt. Er denkt, was er sagt und er macht, was er sagt.» Das sei
aber mit Herausforderungen verbunden.

Merz zu Verteidigungsausgaben: Erst über Standards sprechen

Trump werde auch die Debatte über die Verteidigungsausgaben
beeinflussen. Merz betonte mit Blick auf die EVP-Kollegen: «Wir sind
uns einig darüber, dass wir alle zusammen sehr viel mehr tun müssen.»

Bevor man sich aber über gemeinsame europäische Initiativen und die
Finanzierung unterhalte, müsse man etwa bei der Beschaffung über die
Vereinfachung von Standards sprechen und auch über Stückzahlen. Hier
gebe es einen großen Spielraum, um für das Geld, das man ohnehin
ausgeben müsse, deutlich mehr einkaufen zu können. «Die militärisch
e
Beschaffung in Europa ist zu teuer, sie ist zu kompliziert. Sie ist
auch von den Systemen her zu vielfältig», kritisierte Merz.

Merz forderte, die EU müsse auch in der Handelspolitik mehr tun.
Nötig sei vor allem der Rückbau der europäischen Bürokratie. «Wir

haben in den letzten drei Jahren in Deutschland über 300.000
Arbeitsplätze in der Industrie verloren, auch wegen der übermäßigen

Regulierung der nationalen und der europäischen Regulierung».

EVP will Berichtpflichten um mindestens 50 Prozent zurückfahren

In den zwei Jahren der Aussetzung der EU-Richtlinien zu den
Lieferketten und der Nachhaltigkeit müsse überprüft werden, welche
Teile man in Kraft setzen könne, sagte Merz. Zudem müssten die
Richtlinien radikal vereinfacht und Berichtspflichten insgesamt um
mindestens 50 Prozent reduziert werden. 

Zu dem Treffen unter Leitung von Merz und dem EVP-Vorsitzenden
Manfred Weber (CSU) waren zahlreiche Staats- und Regierungschefs
sowie mehrere zur EVP gehörende Oppositionsführer nach Berlin
gekommen. Weber ist seit 2022 EVP-Chef und führt die EVP-Fraktion im
Europaparlament. 

EVP-Schwerpunkte Wirtschaft, Migration und Sicherheit

Weber betonte, wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit sei, dass
Schlüsselindustrien wie Chemie, Biotechnologie und Maschinenbau stark
seien. Zum Stopp der illegalen Immigration werde eine
Rückführungsverordnung gebraucht. Hinzu müsse ein Mittelmeerpakt mit

den Anrainerstaaten sowie ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen
kommen. 

Mit Blick auf den neuen US-Präsidenten sagte Weber, die EVP biete dem
«Dealmaker Trump» an, gemeinsam mit dem Wirtschaftspartner Europa die
geopolitische Herausforderung China anzunehmen. 

Merz über US-Plattformen: Bei uns gelten Regeln

Kritisch äußerten sich Merz und Weber zur Abkehr großer
US-Plattformen vom bisherigen Moderationsmodell. Es gebe
offensichtlich ein unterschiedliches Verständnis von
Meinungsfreiheit. «Bei uns gelten Regeln. Und ich kann nicht
erkennen, warum im digitalen Zeitalter grundlegend andere Regeln
gelten sollen als im analogen Zeitalter», etwa was den
Urheberrechtsschutz oder die Persönlichkeitsrechte betreffe, sagte
Merz. 

Es gelte «der Grundsatz, dass diejenigen, die in Europa tätig werden
wollen, sich an europäisches Recht zu halten haben, unabhängig von
ihrer Marktmacht, die sie sonst möglicherweise in der Welt haben»,
sagte Merz. «Wir haben hier eine umfassende Pressefreiheit,
Meinungsfreiheit, Bürgerfreiheit. Aber wir alle sagen auch, diese
Freiheiten enden da, wo die Freiheiten anderer eingeschränkt werden.»
Er fügte hinzu: «Ich sehe keine Veranlassung, davon abzurücken, nur
weil es mächtige amerikanische Unternehmen gibt, die das
möglicherweise auch mit Rückendeckung der neuen Regierung in
Washington anders sehen.» 

EVP-Chef an USA: Ausgestreckte Hand, aber selbstbewusst

Weber ergänzte, es gehe bei den sozialen Plattformen um die Frage,
wie sich die gesellschaftliche Kultur entwickeln werde. Da auch die
demokratische Willensbildung stark beeinflusst werde, gehe es um
Grundsatzfragen für den Kontinent. Sein Wunsch sei, dass man mit den
USA ein gemeinsames Verständnis zu den Regeln in der digitalen Welt
entwickele. «Die ausgestreckte Hand ist da. Aber klar ist auch: Wenn
ich manchen Tech-Vertreter höre, dann hört sich das eher danach an,
Europa soll die Vorgaben aus Washington übernehmen. Und das lehne ich
ab. Europa muss selbstbewusst auftreten.»