Baltische Staaten lösen sich aus russischem Stromnetz
08.02.2025 16:57
Politisch, kulturell und wirtschaftlich sind Estland, Lettland und
Litauen schon lange fest im Westen verankert. Nun haben sich die drei
Länder auch im Energiebereich vollständig von Russland gelöst.
Tallinn/Riga/Vilnius (dpa) - Mehr als 30 Jahre nach ihrer
wiedererlangten Unabhängigkeit haben sich Estland, Lettland und
Litauen aus dem russischen Energiesystem gelöst. Um kurz nach 9.00
Uhr Ortszeit waren die drei baltischen EU- und Nato-Länder am
Samstag vom gemeinsamen Stromnetz mit Russland abgekoppelt, mit dem
sie aus historischen Gründen seit Sowjetzeiten verbunden waren.
Die Trennung verlief ohne Probleme und blieb für die Verbraucher
unbemerkt, wie die Netzbetreiber in Estland, Lettland und Litauen
mitteilten. Für einen Tag sollen die Stromnetze der drei Länder
nun in einer Art Inselbetrieb allein funktionieren - und dann am
Sonntag über Polen in das europäische System integriert werden.
Mehr Energieunabhängigkeit und regionale Sicherheit
«Symbolisch wie einst beim Baltischen Weg haben sich Lettland,
Estland und Litauen - alle baltischen Staaten gemeinsam - heute vom
russisch kontrollierten Energienetz getrennt und werden nach der
Durchführung von Betriebstests vollständig an das dreimal größere
europäische Energienetz angeschlossen», sagte die lettische
Regierungschefin Evika Silina. «Dies ist das größte und wichtigste
Projekt für die Energieunabhängigkeit und regionale Sicherheit seit
Jahrzehnten.»
Estland, Lettland und Litauen hatten bereits vor dem Hintergrund des
russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Stromimporte aus Russland
eingestellt. Weiterhin waren sie aber Teil eines aus Sowjetzeiten
stammenden gemeinsamen, synchrongeschalteten Netzes mit Russland und
Belarus. Das galt in Tallinn, Riga und Vilnius inzwischen als
Sicherheitsrisiko. Nach dem Netzwechsel werden sie dann die
grundlegenden Parameter des Stromsystems wie etwa Frequenz und
Spannung selbst kontrollieren können.
«Sieg für die Freiheit und die europäische Einheit»
Aus auch geopolitischer Sicht wird dem Schritt eine große Bedeutung
beigemessen. «Russland kann Energie nicht länger als
Erpressungsinstrument einsetzen», schrieb etwa die
EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas auf der Plattform X. «Dies ist ein
Sieg für die Freiheit und die europäische Einheit.»
Estland, Lettland und Litauen waren nach dem Zweiten Weltkrieg bis
zur wiedererlangten Unabhängigkeit 1991 gezwungenermaßen Teil der
Sowjetunion. In ihrem Freiheitskampf hatten sie am 23. August 1989
mit einer 600 Kilometer langen Menschenkette quer durch das Baltikum
- dem sogenannten «Baltischen Weg» - ihren Freiheitswillen
demonstriert.
Schnellere Umsetzung wegen Russlands Krieg
Die drei Länder hatten 2009 mit den Vorbereitungen für den Anschluss
an das europäische Energiesystem begonnen. Der ursprüngliche Plan sah
eine Synchronisierung Anfang 2026 vor.
Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 beschleunigte das
Vorhaben, das finanziell überwiegend von der EU getragen wurde. Die
Kosten für den Aufbau der nötigen Infrastruktur betrugen insgesamt
rund 1,6 Milliarden Euro.