Trumps neue Zollansage: Was Politik und Wirtschaft davon halten Von Ansgar Haase, Christiane Oelrich und Helge Toben, dpa
10.02.2025 15:41
Abermals will US-Präsident Trump Zölle auf Stahl und Aluminium
einführen. Beim ersten Mal hatten sich die Importe halbiert. Die EU
will verhandeln - und signalisiert Entschlossenheit.
Brüssel/Berlin (dpa) - US-Präsident Donald Trump hat neue Zölle auf
Stahl- und Aluminiumimporte in die Vereinigten Staaten angekündigt.
Auch wenn noch keine Einzelheiten bekannt sind, sind Politik und
Wirtschaft besorgt. Es gibt aber auch die Erwartung, die Zölle durch
Verhandlungen noch abwenden zu können.
Wie reagiert die EU zu der Ankündigung?
Sie warnte Trump vor der Einführung der neuen Zölle. «Die EU sieht
keine Rechtfertigung für die Verhängung von Zöllen auf ihre Exporte
»,
teilte die EU-Kommission mit. «Wir werden handeln, um die Interessen
europäischer Unternehmen, Arbeitnehmer und Verbraucher vor
ungerechtfertigten Maßnahmen zu schützen.»
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, Zölle würden
die deutsche exportorientierte Wirtschaft treffen. EU und
Bundesregierung setzten sich weiter dafür ein, dass es nicht dazu
komme. Zugleich seien Vorbereitungen für den Fall der Fälle
getroffen.
Was sagt die deutsche Stahlindustrie zu der Ankündigung?
Sie ist in Sorge. Die USA sei der wichtigste Absatzmarkt für die
europäische Stahlindustrie, heißt es beim Branchenverband
Wirtschaftsvereinigung Stahl. Aus der gesamten EU seien 2023 rund
vier Millionen Tonnen in die USA exportiert worden. Allein aus
Deutschland seien es jährlich rund eine Million Tonnen, zumeist
Spezialstähle.
Deutschlands größter Stahlhersteller, Thyssenkrupp Steel, äußert si
ch
dagegen gelassen. «Die angekündigten Zölle auf Importe in die USA
würden nach jetzigem Kenntnisstand nur einen sehr begrenzten Einfluss
auf die Geschäfte von Thyssenkrupp haben», teilte das Unternehmen in
Essen mit. «Der Hauptmarkt für den Stahl von Thyssenkrupp ist
Europa.» Der Export an Stahlprodukten in die USA sei vernachlässigbar
gering, sagte ein Sprecher.
Was hält die deutsche Aluminiumindustrie davon?
Die Lieferbeziehungen zu US-amerikanischen Industriekunden würden bei
Einführung der Zölle auf eine «harte Probe» gestellt, sagt der
Branchenverband Aluminium Deutschland. «Bei den Produkten handelt es
sich um spezielle Anwendungen, für die in den USA selbst nicht
genügend oder gar keine Kompetenzen und Kapazitäten vorhanden sind»,
betont ein Sprecher. Es bleibe daher unklar, wie US-Kunden mit dieser
Entwicklung umgehen.
2023 gingen laut Branchenverband rund 51.000 Tonnen Aluminium aus
Deutschland in die USA. «Das entspricht einem kleinen einstelligen
Anteil der Jahresproduktion in deutschen Werken.» Hinzu kämen
indirekte Exporte über fertige Waren, die Aluminium enthalten. «Die
Ausfuhren von Fahrzeugen, Komponenten, Erzeugnissen des Maschinenbaus
und der Elektrotechnik aus Deutschland in die USA enthalten in vielen
Fällen Aluminiumprodukte auch aus Deutschland.»
Und die deutsche Autoindustrie?
Sie nennt die Ankündigungen «besorgniserregend». Die Zölle würden
zunächst die Produktion in den USA verteuern und somit zu
zusätzlichen Kosten für die dortige Industrie führen, heißt es beim
Verband der Automobilindustrie (VDA). Dies betreffe auch die deutsche
Autoindustrie, die in den USA jährlich mehr als 900.000 Autos
produziere. «Höhere Kosten in der Produktion könnten für die
Verbraucherinnen und Verbraucher in der Folge zu höheren Preisen
führen», sagte ein Sprecher. Zusätzlich seien negative Auswirkungen
auf die Industrie in Deutschland und Europa zu erwarten.
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist besorgt. Für
Deutschland seien nach dem europäischen Binnenmarkt die USA ein
wichtiger Stahl- und Aluminiumexportmarkt, betont Wolfgang
Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. «Der Aufbau von
Zöllen und anderen Hürden im transatlantischen Handel gefährdet nicht
nur Arbeitsplätze, sondern auch unseren Wohlstand.»
Hatte Trump nicht schon einmal solche Sonderzölle eingeführt?
Ja. Das war im Jahr 2018 in der ersten Amtszeit des Republikaners.
Damals wurden Aufschläge in Höhe von 25 Prozent auf die Einfuhr von
Stahlprodukten und in Höhe von 10 Prozent auf die Einfuhr von
Aluminiumprodukten angeordnet. Insgesamt waren nach Berechnungen der
EU damals jährliche europäische Stahl- und Aluminiumexporte im Wert
von 6,4 Milliarden Euro betroffen. Laut Wirtschaftsvereinigung Stahl
halbierten sich damals die EU-Exporte in Richtung USA - von 5,2
Millionen Tonnen 2018 auf 2,5 Millionen Tonnen im Jahr 2020.
Wie reagierte die EU damals?
Mit Vergeltungszöllen auf US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey,
Motorräder und Erdnussbutter. Trump hatte die Sonderzölle «mit
nationalen Sicherheitsinteressen» begründet. Die EU hielt das für
unglaubwürdig und ging davon aus, dass es darum ging, die
US-Wirtschaft vor unerwünschter Konkurrenz zu schützen.
Im Herbst 2021 einigte sich die EU mit der Regierung von Trumps
demokratischem Nachfolger Joe Biden auf ein Stillhalteabkommen, das
zur Folge hatte, dass die Zölle weitestgehend ausgesetzt wurden. Eine
endgültige Einigung konnte allerdings bislang nicht erzielt werden.
Das Stillhalteabkommen läuft noch zum 31. März.
Um welche Mengen geht es?
Im Jahr 2023 exportierten EU-Unternehmen nach US-Angaben 3,64
Millionen Tonnen Stahlprodukte in die Vereinigten Staaten. Die Menge
der Aluminiumprodukte wurde EU-weit für 2022 mit 289 000 Tonnen
angegeben.
Was wird passieren, wenn die neuen US-Zölle wirklich kommen?
Die EU sieht nach eigenen Angaben keinerlei Rechtfertigung für die
Verhängung von Zöllen auf ihre Exporte. Nach Angaben von
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird sie umgehend reagieren. «Wir
sind darauf vorbereitet», sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend
beim TV-Duell mit Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. «Wir können
in einer Stunde handeln als Europäische Union.»
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot sagte dem Sender TF1: «Es
gibt kein Zögern, wenn es darum geht, unsere Interessen zu
verteidigen.» Die EU-Kommission werde «die Sektoren festlegen, die
Gegenstand dieser Vergeltungsmaßnahmen sein werden.»
Was ist konkret geplant?
Um dem US-Präsidenten konkrete Kalkulationen zu erschweren, will sich
die EU dazu öffentlich nicht äußern. Als sicher gilt, dass umgehend
die derzeit ausgesetzten Sonderzölle auf US-Produkte wie Jeans,
Bourbon-Whiskey, Motorräder und Erdnussbutter wieder eingeführt
würden. Je nach Umfang der US-Maßnahmen sollen sie zudem durch
weitere neue Sonderabgaben ergänzt werden. Im Idealfall wäre die
EU-Reaktion so folgenreich für US-Hersteller, dass sie Trump an den
Verhandlungstisch zwingen, wo dann eine einvernehmliche Lösung
gefunden wird.
Was könnte die EU Trump anbieten?
Nach Einschätzung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
könnten die Europäische Union und Trump beispielsweise einen neuen
Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG)
schließen. «Wir bekommen immer noch viel LNG aus Russland, warum also
nicht stattdessen amerikanisches LNG einsetzen, das günstiger für uns
ist und unsere Energiepreise senkt», sagte die deutsche
Spitzenpolitikerin bereits nach einem Telefonat mit Trump nach dessen
Wahl.
Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter aus den U
SA
importieren und die Importzölle für US-Autos zu senken. Diese lagen
zuletzt mit zehn Prozent deutlich über dem US-Zollsatz in Höhe von
2,5 Prozent.
Auch der BDI meint, dass es in Verhandlungen jetzt um konstruktive
Lösungen gehen müsse. «Europa und die USA profitieren beide von der
größten bilateralen Handels- und Investitionsbeziehung der Welt.»
Dies müsse man immer wieder in Gesprächen betonen. «Die EU sollte
ihre Werkzeuge benennen, die sie einer aggressiven Politik
entgegensetzen kann, aber sie sollte sie nur als letztes Mittel
einsetzen», so der Verband.
Kann die Welthandelsorganisation WTO solche Zölle unterbinden?
WTO-Mitglieder, die sich durch Zölle ungerecht behandelt fühlen,
können dort Klage einreichen. Ob dies nützt, ist eine andere Frage,
sagt Joost Pauwelyn, Wirtschaftsprofessor an der Genfer Universität
Graduate Institute: «Eine EU-Beschwerde gegen die USA in der WTO
bringt nichts, weil die USA alles blockieren. Die Berufungsinstanz im
Streitschlichtungsverfahren ist unbesetzt, weil die USA seit Jahren
die Ernennung neuer Richter verhindern. Wenn sie einen Fall
verlieren, gehen sie meist trotzdem in Berufung, und der Fall bleibt
so in der Luft hängen.»
Wurde die WTO bei den Trump-Zöllen von 2018 nicht tätig?
Tatsächlich klagten einige Staaten erfolgreich bei der WTO. Andere
wie die EU erreichten in Verhandlungen mit den USA Ausnahmen. Die WTO
erklärte die Zölle für rechtswidrig. Sie wies das Argument der USA,
es gehe um ihre nationale Sicherheit, zurück. «Aber dass der
WTO-Streitschlichtungsausschuss wie damals bei den Klagen gegen die
US-Zölle auf Stahl in Trumps erster Amtszeit vier Jahre für ein
Ergebnis brauchte, ist eine Schande», sagt Paulwelyn. «Damit macht er
sich selbst überflüssig. Er müsste viel schneller handeln.