Von der Leyen will Sonderklausel für Verteidigung aktivieren
14.02.2025 16:38
Um die EU gegen Bedrohungen durch Länder wie Russland zu wappnen,
braucht es Schätzungen zufolge dreistellige Milliardeninvestitionen.
Werden nun strenge Schuldenregeln aufgehoben?
München (dpa) - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will
über die Aktivierung einer Sonderklausel zu den europäischen
Schuldenregeln höhere Verteidigungsausgaben ermöglichen. «Ich werde
vorschlagen, die Ausweichklausel für Verteidigungsinvestitionen zu
aktivieren», sagte sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz. «Dies
wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Verteidigungsausgaben
erheblich zu erhöhen.»
Hintergrund des Vorschlags von der Leyens sind insbesondere die
Bedrohungen durch Russland und die Ankündigung der USA, künftig
deutlich weniger sicherheitspolitische Verantwortung für Europa
übernehmen zu wollen. Man werde die Verteidigungsausgaben erheblich
erhöhen müssen, sagte von der Leyen.
Forderungen von Trump
Druck kommt dabei auch von US-Präsident Donald Trump, der von den
Nato-Mitgliedern in der EU fordert, künftig fünf Prozent ihres
Bruttoinlandsprodukts auszugeben. Für die Bundesrepublik und viele
andere Staaten würde dies bedeuten, dass sie ihre
Verteidigungsausgaben mehr als verdoppeln müssten.
Derzeit geben die 27 EU-Mitgliedstaaten nach Angaben von der Leyens
im Schnitt lediglich rund zwei ihres Bruttoinlandsprodukts für
Verteidigung aus. Schon eine Steigerung von knapp unter zwei Prozent
auf mehr als drei Prozent bedeute Hunderte von Milliarden Euro an
zusätzlichen Investitionen jedes Jahr, erklärte von der Leyen.
500 Milliarden Euro
Schätzungen der EU-Kommission zufolge sind in den nächsten zehn
Jahren zusätzliche Verteidigungsinvestitionen in Höhe von rund 500
Milliarden Euro erforderlich. Als mögliche EU-Projekte gelten dabei
zum Beispiel ein europäisches Luftverteidigungssystem und eine
verstärkte Sicherung der östlichen Landgrenze der Union.
Die sogenannte allgemeine Ausweichklausel, die in den
EU-Schuldenregeln verankert ist, ermöglicht EU-Ländern, vorübergehend
von ihren Haushaltsplänen, und damit den Obergrenzen für Schulden und
Defizit, abzuweichen. Die Ausweichklausel war zuletzt 2020 in der
Corona-Pandemie aktiviert worden. Man habe damals die Mitgliedstaaten
in die Lage versetzt, ihre Investitionen zur Bewältigung der Krise
massiv zu erhöhen, sagte von der Leyen nun. «Ich glaube, wir befinden
uns jetzt in einer neuen Krise, die einen ähnlichen Ansatz
rechtfertigt.»
Wann die Ausweichklausel aktiviert werden soll, blieb zunächst
unklar. Zunächst muss noch der Rat der Mitgliedstaaten mit dem Thema
befasst werden.
Debatte auch über deutsche Schuldenbremse
Um für solide Finanzen zu sorgen, gelten in der EU Obergrenzen für
den Schuldenstand und die Neuverschuldung der Mitgliedsstaaten. Das
Regelwerk, der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt, schreibt
vor, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der
Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Gleichzeitig muss das
Defizit unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung gehalten werden.
Wer die Obergrenzen übertritt, riskiert normalerweise ein
Strafverfahren. In Deutschland wird derzeit bereits über eine
mögliche Reform der zusätzlichen nationalen Schuldenbremse
diskutiert. Vor allem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirbt dafür.