Abschied in Krisenzeiten: Scholz reist zu EU-Gipfel
20.03.2025 02:31
Für Kanzler Scholz hat nach der verlorenen Bundestagswahl die Zeit
des Abschieds begonnen. Der heutige EU-Gipfel in Brüssel dürfte sein
letzter dieser Art sein. In Erinnerung bleibt ein Kaffee-Trick.
Brüssel (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird heute zu seinem
voraussichtlich letzten regulären EU-Gipfel in Brüssel erwartet. Bei
dem Frühjahrstreffen der Staats- und Regierungschefs der 27
EU-Staaten soll es unter anderem um Aufrüstungspläne und die weitere
Unterstützung der Ukraine gehen. Weitere Themen sind geplante
Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der
Wirtschaft sowie die erneute Eskalation der Gewalt im Nahen Osten.
Weitreichende Beschlüsse werden nicht erwartet. Die
EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hofft allerdings, dass der Ukraine
zumindest die Beschaffung von zwei Millionen Schuss
Artilleriemunition für den Abwehrkampf gegen die andauernde russische
Invasion in Aussicht gestellt werden kann.
Ungarns Unterstützung für Trump belastet EU
Überschattet wird der Gipfel bereits vor dem Beginn von der
Ankündigung Ungarns, keinerlei neue EU-Entscheidungen zugunsten der
Ukraine zu akzeptieren. Wie schon beim Sondergipfel am 6. März wird
es deswegen höchstens einen Text zum Thema geben, den nur 26 Staats-
und Regierungschefs unterstützen.
Die ungarische Regierung begründet ihre Haltung damit, dass sie den
Kurs des neuen US-Präsidenten Donald Trump unterstütze. Dieser will
auch mit Druck auf die Ukraine eine Waffenruhe im Krieg erzwingen,
den Russland mit seinem Angriff auf das Nachbarland im Februar 2022
begonnen hatte. Die große Mehrheit der EU-Staaten hält Trumps Kurs
allerdings für falsch und gefährlich.
Merkel bekam große Verabschiedung - und Scholz?
Eine größere Abschiedszeremonie für Bundeskanzler Scholz wird es beim
Gipfel voraussichtlich nicht geben. «Ich glaube, er wird das
hanseatisch zurückhaltend angehen», sagte sein Regierungssprecher
Steffen Hebestreit am Mittwoch zu der Frage, was Scholz sich da so
vorstelle.
Ganz anders war das bei seiner Vorgängerin Angela Merkel im Oktober
2021 gewesen. Sie wurde nach 16 Jahren als Kanzlerin und einer
rekordverdächtigen Zahl von 106 EU-Gipfeln geradezu überschwänglich
verabschiedet. Der damalige EU-Ratspräsident Charles Michel würdigte
Merkel als «Monument» Europas und sagte: «Der Europäische Rat ohne
Angela ist wie Rom ohne den Vatikan oder Paris ohne den Eiffelturm.»
Merz wird erst zum nächsten regulären Gipfel erwartet
Als wirklich großer Europäer wird Scholz nicht in die Geschichte der
EU eingehen. Dazu zeigte er zu wenig Bereitschaft, eine echte
Führungsrolle einzunehmen. Außerdem geriet der für Europa so wichtige
deutsch-französische Antrieb ins Stocken, weil Scholz und Präsident
Emmanuel Macron sich nicht verstanden. Sein voraussichtlicher
Nachfolger Friedrich Merz thematisierte das im Wahlkampf mit markigen
Worten. Scholz' passives Agieren in Brüssel sei «zum Fremdschämen»,
sagte der CDU-Chef.
Eines gibt es allerdings, was von Scholz bleiben wird und sich Merz
vielleicht einmal bei ihm abschauen wird: Im Dezember 2023 bat der
SPD-Politiker den ungarischen Regierungschef Orban, eine Kaffeepause
vor der Tür zu machen, damit die anderen 26 Staats- und
Regierungschefs einstimmig die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine
beschließen konnten.
Der Kaffeetrick könnte Merz vielleicht demnächst auch mal helfen, da
das Ausscheren Orbans beim Thema Ukraine inzwischen zur Regel wird.
Der CDU-Politiker wird vermutlich Ende Juni an seinem ersten
regulären EU-Gipfel teilnehmen können. Bis dahin kann es höchstens
noch Sondertreffen geben.