Europäer beraten über Unterstützung für Ukraine

20.03.2025 04:58

Donald Trump schlägt als Sicherheitsgarantie vor, ukrainische
Atomkraftwerke unter Kontrolle der USA zu stellen. In Kiew ist nur
von einem AKW die Rede - das aber in besonders schwieriger Lage ist.

Brüssel/Kiew/Washington (dpa) - Unter dem Eindruck der
Telefondiplomatie von US-Präsident Donald Trump im Ukraine-Krieg
beraten heute die europäischen Staaten über ihre Unterstützung für

das von Russland angegriffene Land. Während in Brüssel die Staats-
und Regierungschefs der EU zu einem Gipfel zusammenkommen, beraten in
London Militärvertreter aus europäischen und mit ihnen verbündeten
Ländern über einen möglichen Truppeneinsatz in der Ukraine zur
Absicherung eines Friedensabkommens.

Unterdessen geht der Krieg in der Ukraine weiter. Nach Angaben aus
Kiew wurde das Land in der Nacht erneut zum Ziel eines russischen
Großangriffs mit Kampfdrohnen. In der östlichen Landeshälfte
herrschte Luftalarm, laut der ukrainischen Luftwaffe flogen die
Drohnen aus verschiedenen Richtungen ein. Über der Frontstadt
Kupjansk im Osten warfen russische Flugzeuge etwa 20 Gleitbomben ab,
wie die Verwaltung des Gebietes Charkiw mitteilte. Ein Mann sei
getötet worden. Infrastrukturobjekte wie zivile Gebäude wurden
getroffen.

Unter Vermittlung Trumps haben Russland und die Ukraine zwar
zugesagt, vorübergehend die gegenseitigen Angriffe auf Energieanlagen
einzustellen. Der Minimalkompromiss ist aber auf Ziele dieser Art
begrenzt und auch noch nicht in Kraft.

EU-Außenbeauftragte will großes Munitionspaket

Beim Spitzentreffen in Brüssel, dem wohl letzten regulären EU-Gipfel
für den scheidenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), werden keine
weitreichenden Beschlüsse erwartet. Die EU-Außenbeauftragte Kaja
Kallas will aber zumindest erreichen, dass die Ukraine auf die
Lieferung von zwei Millionen Schuss Artilleriemunition hoffen kann.
Für eine Initiative von Militärhilfezusagen in Höhe von 20 bis 40
Milliarden Euro hatte Kallas in den vergangenen Wochen nicht
ausreichend Unterstützung erhalten.

Spitzenmilitärs beraten über Truppe zur Friedenssicherung

Bei dem Treffen der Militärvertreter in London wiederum werden neben
britischen und französischen Offizieren auch Vertreter der Bundeswehr
erwartet. Es handele sich um eine Fortsetzung früherer Gespräche im
Kreis einer «Koalition der Willigen», sagte ein Sprecher des
britischen Verteidigungsministeriums. Die Frage sei, welche Optionen
es für einen möglichen Einsatz gebe und was einzelne Länder beitragen

könnten. 

Großbritannien und Frankreich sind bereit, Bodentruppen zur
Friedenssicherung in die Ukraine zu entsenden, pochen aber auf eine
Absicherung durch die USA im Fall einer Eskalation. Dazu ließ sich
Trump bislang nicht bewegen. Moskau lehnt die Stationierung von
Soldaten aus Nato-Staaten in der Ukraine bislang kategorisch ab.

Ukraine stimmt Stopp von Angriffen auf Energieanlagen zu

Einen Tag nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hatte am
Mittwoch auch der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj in einem
Telefonat mit Trump einen vorübergehenden Stopp von Attacken auf
Energieinfrastruktur im Feindesland zugesagt. Allerdings stellte
Selenskyj klar, dass es ihm darum gehe, russischer Angriffe «auf die
Energieversorgung und andere zivile Infrastrukturen» zu stoppen. Dies
könne der erste Schritt zu einem Ende des Krieges und zur Herstellung
von Sicherheit sein, hieß es in einer Mitteilung des Präsidentenbüros

in Kiew.

Russland hat mit seinen Angriffen vor allem Kraftwerke und das
Stromsystem der Ukraine beschädigt. Die ukrainische Bevölkerung
leidet unter Stromausfällen und -abschaltungen. Ihrerseits fliegt die
Ukraine Drohnenangriffe auf russische Ölanlagen, um den
Treibstoffnachschub für Putins Armee zu erschweren und Einnahmen für
seine Kriegskasse zu schmälern. Der Schaden für die russische
Zivilbevölkerung ist dabei gering. Ein Öllager im südrussischen
Gebiet Krasnodar stand nach einem Angriff in der Nacht zu Mittwoch
weiterhin in Brand.

Die technischen Details der auch zeitlich auf 30 Tage begrenzten
Waffenruhe sollen erst bei amerikanisch-ukrainischen Gesprächen in
den kommenden Tagen in Saudi-Arabien festgelegt werden. Selenskyj
besteht darauf, dass die USA die Einhaltung der Feuerpause
kontrollieren. Ähnliche Gespräche wie mit den Ukrainern will die
US-Regierung auch mit Russland führen. In beiden Fällen soll so der
Einstieg in umfassendere Verhandlungen über ein Ende des seit drei
Jahren währenden Krieges gelingen.

Selenskyj: Mit Trump nur über AKW Saporischschja gesprochen

In einem Punkt widersprach Selenskyjs Wiedergabe des Gesprächs mit
Trump indes der Darstellung der US-Regierung. Während Trump ihm eine
Übernahme aller vier ukrainischen Atomkraftwerke als
Sicherheitsgarantie vorgeschlagen haben will, wurde Selenskyj zufolge
nur über das russisch besetzte AKW Saporischschja gesprochen, wie er
der «Financial Times» sagte.

Die Regierung in Kiew hat derzeit die Kontrolle über drei der
ukrainischen Kernkraftwerke, während Russland das vierte in
Saporischschja 2022 erobert hat und bis heute besetzt hält. Ob das
größte AKW Europas eine Rolle in künftigen Sicherheitsvereinbarungen

spielen könne, hänge davon ab, «ob wir es zurückbekommen und wieder

in Betrieb nehmen können», sagte Selenskyj der Zeitung. Er habe mit
Washington erkundet, ob nicht die USA Saporischschja von den Russen
zurückholen könnten.

In einer Stellungnahme von US-Außenminister Marco Rubio und Trumps
Nationalem Sicherheitsberater Mike Waltz hieß es, der US-Präsident
habe mit Selenskyj darüber gesprochen, dass die Vereinigten Staaten
beim Betrieb der Atomkraftwerke «mit ihrem Fachwissen in den
Bereichen Elektrizität und Energieversorgung sehr hilfreich sein
könnten». Nach Darstellung der US-Regierung wären diese Anlagen und
die ukrainische Energieinfrastruktur insgesamt am besten geschützt,
wenn die Kraftwerke im Besitz der USA wären.