Abschied aus Brüssel: Scholz sagt «Tschüss»

21.03.2025 02:01

Am späten Donnerstagabend endet der Frühjahrsgipfel der EU in
Brüssel. Und damit auch der womöglich letzte für Kanzler Olaf Scholz.

Der Abschied fällt ganz anders aus als der seiner Vorgängerin.

Brüssel (dpa) - «Tschüss» - mit diesem knappen Wort hat sich
Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Pressekonferenz nach seinem wohl
letzten regulären EU-Gipfel verabschiedet. Zum Abschluss des Treffens
zog der SPD-Politiker eine sachliche Bilanz seiner Zeit an Brüsseler
Gipfeltischen. Er habe in den Jahren «viel gelernt über die
politischen Verhältnisse in anderen Ländern», sagte Scholz. Das
helfe, «immer locker zu bleiben bei all dem, was einem selbst
begegnen kann».

Auf die Frage nach seiner größten Errungenschaft verwies der Kanzler
auf die Unterstützung der Ukraine und darauf, dass große Krisen wie
die Energiekrise bewältigt worden seien. Dies sei gelungen, obwohl
viele anfangs nicht daran geglaubt hätten, so Scholz. Richtig sei
auch die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems gewesen.

Merkel bekam große Verabschiedung

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron berichtete davon, dass es bei
dem Treffen die Gelegenheit gegeben habe, Scholz zu danken. Weitere
Details über eine offizielle Verabschiedung des deutschen
Bundeskanzlers wurden zunächst nicht bekannt. 

Bei EU-Gipfeln werden scheidende Staats- und Regierungschefs manches
Mal mit besonderen Gesten verabschiedet. So wurde Angela Merkel nach
16 Jahren als Kanzlerin und einer rekordverdächtigen Zahl von 106
EU-Gipfeln mit stehenden Ovationen und einer Videopräsentation
geehrt. Der damalige EU-Ratspräsident Charles Michel würdigte Merkel
als «Monument» Europas und sagte: «Der Europäische Rat ohne Angela

ist wie Rom ohne den Vatikan oder Paris ohne den Eiffelturm.»

Als wirklich großer Europäer wird Scholz nicht in die Geschichte der
EU eingehen. Dazu zeigte er zu wenig Bereitschaft, eine echte
Führungsrolle einzunehmen. Außerdem geriet der für Europa so wichtige

deutsch-französische Antrieb ins Stocken, weil Scholz und Macron sich
nicht so gut verstanden.

Macron lobt Scholz als wertvollen Partner

Trotzdem lobte der Franzose Scholz im Anschluss des Gipfels vor
Journalisten als «sehr wertvollen Partner». «Ich möchte ein ganz
persönliches Wort an Bundeskanzler Scholz richten, der mir über die
Jahre hinweg ein Kamerad, ein Weggefährte und ein politischer Partner
war», sagte er.

Die nächste turnusmäßige Tagung der europäischen Staats- und
Regierungschefs steht erst Ende Juni an. Es wird erwartet, dass bis
dahin Friedrich Merz (CDU) vom Bundestag zum nächsten deutschen
Bundeskanzler gewählt wurde.

EU will bis 2030 massiv aufrüsten

Da sich die Weltlage nicht wesentlich entspannen dürfte, wird der
Sicherheits- und Verteidigungskurs der EU bis dahin wohl weiter im
Fokus stehen. Bereits bei diesem Treffen in Brüssel verständigten
sich die Spitzenpolitiker darauf, die Verteidigungsbereitschaft
Europas bis 2030 massiv zu stärken. 

Zu den Aufrüstungsplänen zählen etwa EU-Kredite in Höhe von 150
Milliarden Euro sowie eine Sonderregel die erlaubt,
Verteidigungsausgaben von den strengen EU-Schuldenregeln auszunehmen.
So sollen allein in den kommenden vier Jahren insgesamt 800
Milliarden Euro mobilisiert werden. 

Hintergrund ist, dass sich die EU nach Einschätzung der Europäischen
Kommission umgehend auf die Möglichkeit eines großangelegten Krieges
mit Russland vorbereiten muss. Als besonders gefährlich gilt die
Situation, weil US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, dass die
atomare Supermacht USA künftig nicht mehr bedingungslos als Garant
für Frieden in Europa zur Verfügung zur stehen werde. Die Pläne
sollen es auch ermöglichen, die von Russland angegriffene Ukraine
künftig noch stärker militärisch zu unterstützen.

Keine gemeinsame Linie in Ukraine-Politik

Neue größere Hilfszusagen für die Ukraine gab es zunächst nicht. Pe
r
Video zugeschaltet appellierte der ukrainische Präsident Wolodymyr
Selenskyj an die EU, bei der Unterstützung seines Landes nicht
nachzulassen. Konkret forderte er mindestens fünf Milliarden Euro für
Artilleriegeschosse. Die Forderung geht zurück auf eine Initiative
von der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, die zu Beginn des Treffens
erneut dazu aufgerufen hatte, die Summe für Munitionslieferungen an
die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. 

Überschattet wurde der Gipfel von der Ankündigung Ungarns, keinerlei
neue EU-Entscheidungen zugunsten der Ukraine zu akzeptieren. Wie
schon beim Sondergipfel am 6. März konnte deswegen kein gemeinsamer
EU-Text dazu angenommen werden. Die anderen 26 Mitgliedsstaaten
bekräftigten daraufhin in einer Erklärung ohne ihn, dass sie die
«Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der
Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen» weiterhin
und uneingeschränkt unterstützen.