Israel weitet Angriffe im Gazastreifen aus

24.03.2025 04:59

Eine Rückkehr zu der Waffenruhe wird immer unwahrscheinlicher. Die
israelische Regierung treibt indes auch die Siedlungspolitik im
Westjordanland voran.

Tel Aviv/Gaza (dpa) - Israel weitet seine Angriffe auf Ziele der
islamistischen Hamas im Gazastreifen aus. Bei einer Attacke auf eine
Klinik im Süden des abgeriegelten Küstengebiets wurden
palästinensischen Angaben zufolge fünf Menschen getötet, darunter ein

Mitglied des Hamas-Politbüros. Mitarbeiter des Nasser-Krankenhauses
in der Stadt Chan Junis teilten mit, das israelische Militär habe in
der zweiten Etage der Klinik angegriffen. Israels Armee sagte, Ziel
sei ein wichtiges Hamas-Mitglied gewesen, das dort aktiv gewesen
sei. 

Bei dem Hamas-Mitglied handelte es sich laut Hamas um Ismail Barhum.
Verteidigungsminister Israel Katz lobte die Armee für die Tötung.
Israelischen Medien zufolge war Barhum als Politbüro-Mitglied für die
Verteilung von Geldern innerhalb der Terrororganisation zuständig.
Die Hamas nannte ihn «eine tragende Säule» der
Islamistenorganisation.

Israels Armee warf der Hamas vor, das Krankenhaus als Unterschlupf zu
missbrauchen. Nach Darstellung der Hamas wurde Barhum in der
Nasser-Klinik behandelt. Die Angaben beider Seiten ließen sich
zunächst nicht unabhängig prüfen.

Bereits zuvor war am Sonntag bei einem israelischen Luftangriff im
südlichen Gazastreifen ein ranghoher Hamas-Funktionär getötet worden.

Salah al-Bardawil habe die strategische und militärische Planung der
Hamasgeleitet, teilte die Armee mit. Die Hamas bestätigte in ihrem
Telegram-Kanal den Tod al-Bardawils, der ebenfalls Mitglied des
Politbüros war. 

Hamas-Behörde: Mehr als 50.000 Gaza-Tote seit Kriegsbeginn

Die Zahl der seit Beginn des Gaza-Krieges vor eineinhalb Jahren im
Gazastreifen getöteten Palästinenser stieg nach Angaben der von der
Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf mehr als 50.000.
Zahlreiche Menschen gelten noch als vermisst. Die Angaben, die nicht
zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden, lassen sich nicht
unabhängig überprüfen. Internationale Organisationen wie die UN
betrachten sie als weitgehend glaubwürdig. 

Auslöser des Gaza-Krieges war der Überfall der Hamas und anderer
extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem
rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in
den Gazastreifen verschleppt wurden. 

Kallas fordert Rückkehr zur Waffenruhe

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas verurteilte bei einem Besuch in
der Region die neuen Angriffe im Gazastreifen und forderte die
Wiederaufnahme der humanitären Hilfe. In einer gemeinsam mit dem
Arabisch-Islamischen Ministerkomitee veröffentlichten Stellungnahme
forderte sie eine sofortige Rückkehr zur vollständigen Umsetzung des
am 19. Januar in Kraft getretenen Abkommens über eine Waffenruhe und
die Freilassung von Geiseln und Häftlingen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu plant laut «Wall Street
Journal» eine neue großangelegte Bodenoffensive. Der
Ministerpräsident und sein Sicherheitskabinett seien davon überzeugt,
dass die Einnahme größerer Gebiete es Israel erlauben würde, die
Hamas endgültig zu besiegen, berichtete die Zeitung unter Berufung
auf informierte Kreise. 

Israel will Behörde für Ausreise von Palästinensern schaffen

Israel richtet zudem eine neue Behörde für eine «freiwillige»
Ausreise von Palästinensern aus dem Gazastreifen ein. Diese soll dem
Verteidigungsministerium unterstellt werden und «die freiwillige
Ausreise von Bewohnern des Gazastreifens in Drittländer auf sicherem
und kontrolliertem Wege vorbereiten», zitierten israelische Medien
aus einer Erklärung des Büros von Verteidigungsminister Katz. 

Ausreisewilligen Menschen solle das Verlassen des abgeriegelten
Küstenstreifens «unter Einhaltung des israelischen und
internationalen Rechts und in Übereinstimmung mit der Vision von
US-Präsident Donald Trump» ermöglicht werden, hieß es demnach in de
r
Erklärung weiter. Zuvor hatte das israelische Sicherheitskabinett den
Berichten zufolge einen entsprechenden Vorschlag von Katz gebilligt.
Um welche Drittländer es sich handeln soll, wurde nicht erwähnt.

Friedensbewegung: Menschen gehen nicht «freiwillig»

Die israelische Friedensbewegung Peace Now verurteilte die Schaffung
der neuen Ausreisebehörde auf der Plattform X als «unauslöschlichen
Schandfleck» für Israel. «Wenn das Leben an einem bestimmten Ort
durch Bombardierung und Belagerung unmöglich gemacht wird, ist es
nicht "freiwillig", wenn Menschen gehen», hieß es weiter.

Vorschlag geht auf US-Präsident Trump zurück

Katz hatte die Armee bereits Anfang Februar angewiesen, einen
entsprechenden Plan auszuarbeiten, nachdem US-Präsident Donald Trump
vorgeschlagen hatte, zwei Millionen Palästinenser aus dem
Küstenstreifen umzusiedeln. Der US-Präsident hatte im Beisein von
Netanjahu verkündet, die USA würden den Gazastreifen «übernehmen»
und
in eine wirtschaftlich florierende «Riviera des Nahen Ostens»
verwandeln. Nach Trumps Willen sollen die Einwohner des Gebiets in
anderen arabischen Staaten der Region unterkommen. 

Ägyptischen Medien zufolge hatte die Regierung in Kairo jüngst
Berichte zurückgewiesen, wonach sie zur vorübergehenden Aufnahme von
einer halben Million Menschen aus dem Gazastreifen bereit sein soll.

Israel erkennt 13 unabhängige Siedlungen im Westjordanland an

Das israelische Sicherheitskabinett beschloss zudem, 13 jüdische
Wohngebiete im besetzten Westjordanland in unabhängige Siedlungen
umzuwandeln. Der Schritt sei von dem rechtsextremen Finanzminister
Bezalel Smotrich vorangetrieben worden, berichteten israelische
Medien. Die betreffenden Wohngebiete seien demnach teils über
Jahrzehnte hinweg illegal, ohne formelle Genehmigung des Kabinetts,
als Außenposten von Siedlungen gebaut worden. 

Das Außenministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde
verurteilte Medienberichten zufolge die Anerkennung der Siedlungen.
Peace Now kritisierte den Schritt als Gefährdung für eine
Zwei-Staaten-Lösung in Israel.