Ex-Kommissionspräsident Prodi zupft Journalistin an Haaren

26.03.2025 18:43

Italiens früherer Regierungschef ist über sein Heimatland hinaus hoch
angesehen. Jetzt allerdings gibt es Kritik wegen einer Geste in einem
Interview - auch aus den eigenen Reihen.

Rom (dpa) - Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hat im
Interview einer italienischen TV-Journalistin der Frau nach einer
vermeintlich unpassenden Frage an den Haaren gezupft. Der 85-Jährige,
der auch zweimal italienischer Regierungschef war, steht deshalb in
der Kritik - zumal er anfangs bestritten hatte, dass sich die Szene
so zugetragen habe. Prodi behauptete, der Frau nur die Hand auf die
Schulter gelegt zu haben.

Auf einem jetzt veröffentlichten Video ist jedoch klar zu sehen, wie
der Mitte-Links-Politiker der Frau, die ihm mit einem Mikrofon
gegenübersteht, mit der Hand ins Haar fasst und leicht daran zupft.
Zuvor hatte ihm die Journalistin Lavina Orefici, die für den
Privatsender La7 arbeitet, eine Frage zu einem aktuellen Streit um
die italienische Europapolitik gestellt. Prodi entgegnete ihr: «Was
zum Teufel fragen Sie mich? Haben Sie einen Sinn für Geschichte oder
nicht?» Dazu gestikuliert er mit den Händen. 

Dann doch eine Entschuldigung

Orefici wehrte sich nicht gegen die Berührung in dem Interview.
Später erklärte sie, so etwas habe sie in ihrer gesamten Berufszeit
noch nicht erlebt. Prodi rechtfertigte sich bei einem Termin in
Brüssel mit den Worten: «Die Zeit klärt viele Dinge. Die Leute
verwechseln Zuneigung mit Aggression.» Am Abend entschuldigte er
sich. «Ich habe einen Fehler gemacht, und es tut mir leid.»

Von Italiens rechten Regierungsparteien kommt viel Kritik. Aber auch
im eigenen Lager handelte sich Prodi Ärger ein. Die
sozialdemokratische Politikerin Jasmine Cristallo sagte, für ein
solches Verhalten gebe es keine Rechtfertigung. Andere Politiker aus
der Opposition stellten sich hinter ihn. Journalistenverbände hielten
dem ehemaligen Kommissionspräsidenten vor, mit einem solchen
Verhalten Grenzen zu überschreiten. 

Prodi leitete die EU-Kommission von 1999 bis 2004. Zwischen 1996 und
1998 sowie 2006 und 2008 war er italienischer Ministerpräsident. Er
galt als wichtiger Gegenspieler des inzwischen gestorbenen mehrfachen
Regierungschefs Silvio Berlusconi.