Urteil torpediert Le Pens Präsidentschaftskandidatur Von Michael Evers, dpa
31.03.2025 22:12
Der Schuldspruch gegen Marine Le Pen trifft Frankreichs
Rechtsnationale hart. Trotz der angekündigten Berufung ist die
Präsidentschaftskandidatur der populären Politikerin dadurch
blockiert.
Paris (dpa) - Ein Gericht hat die rechtsnationale französische
Spitzenpolitikerin Marine Le Pen wegen der Veruntreuung öffentlicher
Gelder verurteilt und ihre geplante Kandidatur bei der
Präsidentschaftswahl 2027 voraussichtlich unmöglich gemacht. Das
Gericht verhängte mit sofortiger Wirkung ein auf fünf Jahre
befristetes Verbot, bei Wahlen anzutreten.
Le Pen stellte sich als Opfer eines politischen Urteils dar. Sie
kündigte an, sie werde für einen schnellen Berufungsprozess kämpfen,
damit sie bei der Präsidentschaftswahl 2027 antreten könne. «Ich
werde mich nicht einfach so beseitigen lassen. Ich werde die
Rechtsmittel nutzen, die ich ergreifen kann», sagte sie.
Es wird für unwahrscheinlich gehalten, dass ein Berufungsprozess zu
einem schnellen Ergebnis kommt. Vielmehr dürfte ein jahrelanger Gang
durch die gerichtlichen Instanzen folgen. Bis zum Ende der
Wahlperiode kann Le Pen aber weiter als Abgeordnete im Parlament
sitzen, wo sie Fraktionsvorsitzende ist.
Elektronische Fußfessel für Le Pen
Außerdem verurteilte das Gericht die 56-Jährige zu zwei Jahren Haft
mit elektronischer Fußfessel - die genauen Details zur Ausgestaltung
der Strafe blieben unklar. Zwei weitere Jahre Haft wurden zur
Bewährung ausgesetzt. Zudem wurde eine Geldstrafe von 100.000 Euro
verhängt. Diese Strafen werden erst vollstreckt, wenn das Urteil
rechtskräftig ist.
In dem Prozess ging es um die Affäre um Scheinbeschäftigung von
Assistenten durch mehrere französische Europaabgeordnete von Le Pens
rechter Partei Rassemblement National (RN, früher Front National).
Neben Le Pen wurden acht weitere Abgeordnete ihrer Partei im
Europaparlament schuldig gesprochen, sowie zwölf parlamentarische
Assistenten. Das Rassemblement National muss eine Million Euro Strafe
zahlen.
Heikles Urteil
Für die rechte Partei und Le Pens politische Ambitionen ist das
Ergebnis des Prozesses ein Desaster. Der vorübergehende Verlust des
passiven Wahlrechts ist in Frankreich eine gängige Strafe, wenn
Politiker wegen Korruption und Untreue verurteilt werden. Dennoch
gilt es aufgrund der großen Beliebtheit von Le Pen als heikel - auch
moderate Politiker im Land hatten Bedenken angemeldet, da es das
Narrativ befeuern könnte, das Urteil sei politisch motiviert, um Le
Pen als Präsidentin zu verhindern.
In diesem Sinne argumentierte Le Pen auch in einem Gespräch mit dem
Sender TF1: «Heute Abend gibt es Millionen von Franzosen, die empört
sind, und zwar in einem unvorstellbaren Ausmaß empört sind, wenn sie
sehen, dass in Frankreich, dem Land der Menschenrechte, Richter
Praktiken eingeführt haben, von denen man dachte, sie seien
autoritären Regimen vorbehalten.»
Le Pen: Millionen von Franzosen ihrer Kandidatin beraubt
Im Grunde habe die Richterin ihr verkündet: «Ich werde Sie sofort
unwählbar machen, und ich tue dies, um zu verhindern, dass Sie zur
Präsidentin der Republik gewählt werden können.» Millionen von
Franzosen seien somit der Kandidatin beraubt worden, die aktuell
Favoritin für die Präsidentschaftswahlen 2027 sei, sagte sie weiter.
Der bisherige Plan war, dass bei einem Sieg Le Pens bei der
Präsidentschaftswahl und einem Sieg ihrer Partei bei der
nachfolgenden Parlamentswahl RN-Chef Jordan Bardella (29)
Premierminister geworden wäre. Erwartet wird nun, dass Bardella für
das Präsidentenamt kandidiert. «Jordan Bardella ist eine großartige
Bereicherung für die Partei, und das sage ich schon lange. Ich hoffe,
dass wir auf diesen Trumpf nicht eher zurückgreifen müssen, als es
notwendig ist», sagte Le Pen.
US-Regierung besorgt
Über den Gerichtsentscheid gegen Le Pen zeigte sich die US-Regierung
besorgt. «Wir müssen als Westen mehr tun, als nur über demokratische
Werte zu reden. Wir müssen sie leben», sagte die Sprecherin des
US-Außenministeriums, Tammy Bruce, angesprochen auf das Urteil. Der
Ausschluss von Menschen aus dem politischen Prozess sei besonders
besorgniserregend.
RN-Chef Jordan Bardella sagte: «Es ist nicht nur Marine Le Pen, die
heute ungerechterweise verurteilt wurde: Das ist die Hinrichtung der
französischen Demokratie.» Auch mehrere prominente Rechts-Politiker
in Europa, darunter Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini und
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, kritisierten das Urteil
beziehungsweise zeigten sich solidarisch mit ihrer politischen
Freundin.
Kritik auch aus anderen Parteien
Das weitreichende Urteil stieß auch bei Politikern anderer Parteien
auf Kritik. «Die Entscheidung über die Absetzung eines Politikers
sollte dem Volk obliegen», sagte die Führungsfigur von Frankreichs
Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon. Der Fraktionschef der konservativen
Républicains, Laurent Wauquiez meinte, dass es in einer Demokratie
nicht gesund sei, wenn einer gewählten Politikerin die Kandidatur für
eine Wahl untersagt werde. «Politische Debatten müssen an der
Wahlurne von den Franzosen entschieden werden.»
Zentraler Vorwurf in dem Prozess war, dass Le Pens Partei Geld für
parlamentarische Assistenten vom Europäischen Parlament bekommen hat,
die aber teilweise oder ganz für die Partei gearbeitet hätten. Das
Gericht sprach in seinem Urteil von einem systematischen Verstoß, der
über zwölf Jahre angedauert und mit dem sich die Partei bereichert
habe. Vor Gericht hatte Le Pen die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
«Ich habe nicht das Gefühl, die geringste Regelwidrigkeit, die
geringste Rechtswidrigkeit begangen zu haben», sagte sie im Prozess.
Rassemblement National so stark wie nie
Das Debakel vor Gericht trifft die rechtsnationale Partei in
Frankreich in einem ungünstigen Moment, denn schon seit einer Weile
ist sie beständig auf dem Vormarsch und im Parlament inzwischen so
stark vertreten wie noch nie. Die von ihrem kürzlich gestorbenen
Vater Jean-Marie gegründete rechtsextremistische Front National
benannte Marine Le Pen 2018 in Rassemblement National um und
verzichtete auf allzu radikale Positionen, um sie auch in breiteren
Schichten der Bevölkerung wählbar zu machen. Dreimal bereits
kandidierte Le Pen für das Präsidentenamt, bei den letzten beiden
Wahlen kam sie bis in die Stichwahl.