Le Pens Partei ruft zu frankreichweitem Protest auf
01.04.2025 05:00
Nach dem Urteil gegen Le Pen rufen Frankreichs Rechtsnationale zu
einer «friedlichen Volksmobilisierung» auf. Le Pen setzt auf eine
schnelle Berufung, um doch bei der Präsidentschaftswahl anzutreten.
Paris (dpa) - Nach der aufsehenerregenden Verurteilung der
rechtsnationalen französischen Spitzenpolitikerin Marine Le Pen wegen
der Veruntreuung öffentlicher EU-Gelder mobilisiert ihre Partei zu
einem frankreichweiten Protest. «Ich rufe zu einer friedlichen
Volksmobilisierung auf», erklärte der Chef des Rassemblement National
(RN), Jordan Bardella, am Abend. «Wir werden in den nächsten Wochen
überall vor Ort sein. Denjenigen, die sich von der Demokratie
abwenden wollen, werden wir zeigen, dass der Wille des Volkes am
stärksten ist.» Derweil kündigte Le Pen an, Berufung gegen das Urteil
einlegen zu wollen.
Die Mehrheit der Franzosen hält das Gerichtsurteil dagegen für
gerecht. Laut einer Umfrage des Instituts Elabe für den Sender BFMTV
sind 42 Prozent der befragten Franzosen mit der Gerichtsentscheidung
einverstanden, 29 Prozent nicht. Weitere 29 Prozent waren neutral.
Ein Pariser Strafgericht hatte mit sofortiger Wirkung ein auf fünf
Jahre befristetes Verbot gegen Le Pen verhängt, bei Wahlen anzutreten
und ihre geplante Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2027
voraussichtlich unmöglich gemacht. Dies sorgte weit über Frankreich
hinaus für Wirbel, denn diese Strafe greift sofort, noch ehe über die
von Le Pen angekündigte Berufung entschieden wird.
Fußfessel für Le Pen
Außerdem verurteilte das Gericht die 56-Jährige am Montag zu zwei
Jahren Haft mit elektronischer Fußfessel - die genauen Details zur
Ausgestaltung der Strafe blieben unklar. Zwei weitere Jahre Haft
wurden zur Bewährung ausgesetzt. Zudem wurde eine Geldstrafe von
100.000 Euro verhängt. Diese Strafen werden erst vollstreckt, wenn
das Urteil rechtskräftig ist.
In dem Prozess ging es um die Affäre um Scheinbeschäftigung von
Assistenten durch mehrere französische Europaabgeordnete von Le Pens
rechter Partei Rassemblement National (RN, früher Front National).
Neben Le Pen wurden acht weitere Abgeordnete ihrer Partei im
Europaparlament schuldig gesprochen, sowie zwölf parlamentarische
Assistenten. Das Rassemblement National muss eine Million Euro Strafe
zahlen.
Für die rechte Partei und Le Pens politische Ambitionen ist das
Ergebnis des Prozesses ein Desaster. Der vorübergehende Verlust des
passiven Wahlrechts ist in Frankreich eine gängige Strafe, wenn
Politiker wegen Korruption und Untreue verurteilt werden. Dennoch
gilt es aufgrund der großen Beliebtheit von Le Pen als heikel.
Die Frage am Tag nach dem Urteil wird insbesondere sein, wie Le Pens
Partei sich nun positioniert und welche Schritte sie unternehmen
wird. Neben dem Aufruf zu Protesten startete das Rassemblement
National auch eine Petition gegen eine von ihr so bezeichnete
«Diktatur der Richter», wie Medien berichteten. Die Homepage der
Partei mit dem Link zu der Petition war aber über Stunden nicht zu
erreichen - ob dies mit einem technischen Problem zusammenhing, war
zunächst nicht bekannt.
Heizt Urteil politische Krise an?
Es zeichnete sich bereits ab, dass das Urteil Zündstoff birgt, um die
in Frankreich schwelende politische Krise erneut anzufachen. Etliche
Politiker auch anderer Parteien äußerten sich kritisch dazu, dass Le
Pen per Gerichtsurteil der Zugang zur Präsidentenwahl aller
Voraussicht nach blockiert wird. Unter ihnen soll Medienberichten
zufolge auch Premierminister François Bayrou sein.
Die Justizschelte der Rechtspopulisten - Le Pen sprach von einem
politischen Urteil, was man eher in einem autoritären Regime erwarte
- rief unterdessen die Sozialisten auf den Plan. Die Partei startete
eine Petition zugunsten der Justiz als Stützpfeiler der Demokratie.
«Die Sozialistische Partei möchte erneut bekräftigen, dass niemand
über dem Gesetz steht, schon gar nicht diejenigen, die das höchste
Amt im Staat anstreben», hieß es in einer Mitteilung.
Vorwurf der Einmischung der Justiz in die Politik
Marine Le Pen hatte sich in einem abendlichen TV-Interview
kämpferisch gegeben und angekündigt, so schnell es geht Berufung
einzulegen mit dem Ziel, möglicherweise doch noch rechtzeitig vor der
Präsidentschaftswahl einen für sie günstigeren Berufungsentscheid zu
erreichen. «Ich bin nicht bereit, mich so einfach einer Verweigerung
der Demokratie zu unterwerfen», postete sie später bei X. «Kein
Richter kann beschließen, sich in eine so wichtige Wahl wie die
Präsidentschaftswahl einzumischen, noch dazu unter Verletzung der
Rechtsstaatlichkeit.»
Allerdings scheint Le Pen auch für möglich zu halten, dass ihre
inzwischen vierte Kandidatur für das Präsidentenamt durch die Justiz
verstellt bleibt und signalisiert, dass sie bereits ist, ihren
politischen Ziehsohn Bardella (29) ins Rennen zu schicken. Als wolle
er die vertrauensvollen Bande betonen, postete Bardella am Abend ein
Foto, auf dem Le Pen und er sich fest umarmt halten.
Es wird für unwahrscheinlich gehalten, dass ein Berufungsprozess zu
einem schnellen Ergebnis kommt. Vielmehr dürfte ein jahrelanger Gang
durch die gerichtlichen Instanzen folgen. Bis zum Ende der
Wahlperiode kann Le Pen aber weiter als Abgeordnete im Parlament
sitzen, wo sie Fraktionsvorsitzende ist.
US-Regierung besorgt
Über den Gerichtsentscheid gegen Le Pen zeigte sich die US-Regierung
besorgt. «Wir müssen als Westen mehr tun, als nur über demokratische
Werte zu reden. Wir müssen sie leben», sagte die Sprecherin des
US-Außenministeriums, Tammy Bruce, angesprochen auf das Urteil. Der
Ausschluss von Menschen aus dem politischen Prozess sei besonders
besorgniserregend.
US-Präsident Donald Trump verglich den befristeten Ausschluss von Le
Pen bei Wahlen mit der Situation in den USA. «Das ist eine sehr große
Sache. Ich weiß alles darüber», sagte er im Weißen Haus. «Ihr wur
de
für fünf Jahre verboten zu kandidieren und sie ist die
Spitzenkandidatin. Das klingt nach diesem Land», sagte Trump.
Trump dürfte darauf anspielen, dass Kläger in mehreren Bundesstaaten
versucht hatten, seine Teilnahme an den parteiinternen Vorwahlen für
die US-Präsidentschaftswahl zu verhindern. Hintergrund der
Auseinandersetzung war der beispiellose Angriff auf den
US-Parlamentssitz am 6. Januar 2021. Anhänger Trumps hatten damals
gewaltsam das Kapitol in Washington gestürmt. Das Oberste US-Gericht
entschied schließlich, dass Trump an den Vorwahlen seiner Partei
teilnehmen kann. Der Republikaner wurde zum Kandidaten seiner Partei
gewählt und gewann in der Folge die Präsidentschaftswahl im
November.
Rassemblement National so stark wie nie
Das Debakel vor Gericht trifft die rechtsnationale Partei in
Frankreich in einem ungünstigen Moment, denn schon seit einer Weile
ist sie beständig auf dem Vormarsch und im Parlament inzwischen so
stark vertreten wie noch nie. Die von ihrem kürzlich gestorbenen
Vater Jean-Marie gegründete rechtsextremistische Front National
benannte Marine Le Pen 2018 in Rassemblement National um und
verzichtete auf allzu radikale Positionen, um sie auch in breiteren
Schichten der Bevölkerung wählbar zu machen. Dreimal bereits
kandidierte Le Pen für das Präsidentenamt, bei den letzten beiden
Wahlen kam sie bis in die Stichwahl.