Von EU bis Rindfleisch: Das behaupten die USA im Zollstreit Von Serhat Koçak und Marc Fleischmann, dpa

09.04.2025 04:30

Das Kabinett Trump ledert gerne gegen die EU. Neuester Anlass ist der
Zollstreit. Dass der Staatenbund nur gegründet worden sei, um die USA
«über den Tisch zu ziehen», entspricht nicht der Wahrheit.

Berlin (dpa) - Wenn dem US-Präsidenten Donald Trump etwas gegen den
Strich geht, entgegnet er gerne lauthals «Fake News». Seine Regierung
verbreitet allerdings selbst Nachrichten, bei denen der
Wahrheitsgehalt fragwürdig erscheint. Drei Behauptungen im aktuellen
Zollstreit über die Europäische Union (EU) im Faktencheck:

Behauptung

Die EU sei gegründet worden, «um die USA über den Tisch zu ziehen».

Dies sei «der Zweck» der EU, sagte Trump bei der Vorstellung der
US-Sonderzölle.

Fakten

Bei der EU handelt es sich um eine Gemeinschaft von 27 Staaten.
Zusammen kann das Staatenbündnis gegenüber großen Mächten natürli
ch
anders auftreten, als wenn die Mitgliedsländer einzeln verhandeln
würden. Ein Vergleich zur Einordnung: Von der Einwohnerzahl etwa
stehen rund 450 Millionen EU-Bürger fast 350 Millionen US-Amerikanern
gegenüber. Das heißt aber nicht, dass die EU die USA «über den Tisc
h
ziehen» würde.

Ursprünglich wurde das Staatenbündnis in Europa als Reaktion auf das
Leid des Zweiten Weltkriegs ins Leben gerufen. Am 25. März 1957
unterzeichneten sechs Staaten die Römischen Verträge zur Gründung der

EWG, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie der Europäischen
Atomgemeinschaft Euratom: Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien,
Luxemburg und die Niederlande. 

Seit Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages am 1. November 1993
heißt der Staatenbund «Europäische Union». Die Vereinbarung schuf
Grundlagen für eine Wirtschafts- und Währungsunion und brachte den
Einstieg in eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

Trumps Vorwurf wurde aus Brüssel zurückgewiesen. Die EU sei der
größte freie Markt der Welt - und ein «Segen» für die Vereinigten

Staaten, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Der große und
integrierte Binnenmarkt habe den Handel erleichtert, die Kosten für
US-Exporteure gesenkt und Standards sowie Vorschriften in 27 Ländern
harmonisiert. Infolgedessen seien US-Investitionen in Europa äußerst
rentabel.

Behauptung

Es sei «fast unmöglich», US-Autos in die EU auszuführen, sagte Trum
p.

Fakten

Das ist eine Übertreibung, auch wenn die Zahlen von der Tendenz her
zunächst Trump recht geben: Während 2023 fast 450.000 Autos aus
Deutschland in die USA gingen, waren es in umgekehrter Richtung nach
Angaben des Branchenverbands VDA nur 136.000. Dazu kommt, dass die
USA bisher - vor Einführung des 25-Prozent-Aufschlags - nur 2,5
Prozent Zoll auf Pkw aus Europa erhoben, der Satz der EU für
US-Fahrzeuge liegt bei 10 Prozent.

Das Manko des Autoabsatzes der US-Marken in Europa sei eher eine
Frage des Geschmacks, sagt Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center
of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Das sei «das große
Problem der US-Hersteller». Mit Ausnahme der Fahrzeuge von Tesla, bei
denen der Absatz aber auch gerade absackt, haben die «eigentlich
nichts anzubieten, was bei uns größere Marktanteile gewinnen könnte
»,
erklärt Bratzel.

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer bezeichnet die «Autos aus
Amerika» als «bei uns schlicht unverkäuflich». Denn für Europa se
ien
sie zu groß und der Benzinverbrauch viel zu hoch. «Du kannst hier
kein Auto verkaufen mit acht Zylindern und 15 Litern Verbrauch.» In
den USA sei das angesichts der dortigen Benzinpreise kein Problem, in
Europa schon. 

Behauptung

Europa würde amerikanisches Rindfleisch «hassen», sagte
US-Handelsminister Howard Lutnick. EU-Rind sei «schwach», das aus den
USA «schön».

Fakten

Ob US-Fleisch, wie vom US-Handelsminister behauptet, letztlich
schöner sei als das in Europa, liegt wohl im Auge des Betrachters.
Der Handelsstreit zwischen der EU und den USA über Rindfleisch zieht
sich jedenfalls schon länger. Die Ursache ist nicht wie behauptet
emotional begründet, sondern liegt an gesundheitlichen Bedenken.

Der Streit begann bereits in den 1980ern, als die damalige
Europäische Gemeinschaft (EG) den Import von US-Rindfleisch verbot,
das mit Wachstumshormonen behandelt wurde. Die EU begründete das
Verbot mit gesundheitlichen Bedenken hinsichtlich der möglichen
Risiken von hormonbehandeltem Fleisch, während die USA eine
unrechtmäßige Handelsbarriere sahen.

Der Konflikt eskalierte daraufhin, die USA klagten 1996 bei der
Welthandelsorganisation (WTO) gegen die EU. Die WTO gab den USA
recht, da die EU keine ausreichenden wissenschaftlichen Beweise
vorlegen konnte, die das Verbot des hormonbehandelten Rindfleischs
rechtfertigten. Dennoch blieb das Verbot aufgrund gesundheitlicher
Vorsichtsmaßnahmen bestehen.

2009 einigten sich die EU und die USA auf eine Kompromisslösung, die
den Import von hormonfreiem Rindfleisch aus den USA ermöglichte. 2019
wurde eine Vereinbarung getroffen, die die Importquote für
hormonfreies Rindfleisch aus den USA auf 45.000 Tonnen anhebt.