Ausreise von EU-Bürgern - Erfolg vor Gericht für Iren
11.04.2025 13:04
Eine Entscheidung der Berliner Ausländerbehörde sorgt seit Tagen für
Diskussionen. Wegen propalästinensischer Proteste sollen vier
Menschen das Land verlassen. Nun gibt es eine Gerichtsentscheidung.
Berlin (dpa) - Im Streit um die Ausreise von drei EU-Bürgern und
einer amerikanischen Person nach der Teilnahme an
propalästinensischen Protesten hat einer der Betroffenen vor Gericht
einen Erfolg erzielt. Das Berliner Verwaltungsgericht gab im
Eilverfahren der Beschwerde eines Iren statt, wie eine
Gerichtssprecherin auf Anfrage mitteilte. Damit gilt der Bescheid des
Berliner Landesamts für Einwanderung (LEA) vorerst nicht und der
29-Jährige muss Deutschland zunächst nicht verlassen.
Die Ausländerbehörde hatte dem Mann sowie einer Irin und einer Polin
im März die EU-Freizügigkeitsrechte entzogen, im Fall der
amerikanischen Person geht es um eine Ausweisung. Begründet wurde die
Entscheidung mit deren Teilnahme an propalästinensischen Protesten.
Die Entscheidung sorgte für Kritik und Protest.
Von den Personen gehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit der
Bundesrepublik Deutschland aus, erklärte Innenstaatssekretär
Christian Hochgrebe (SPD) vergangene Woche im Innenausschuss des
Abgeordnetenhauses. Er verwies dabei vor allem auf gewaltsame
Vorfälle an der Freien Universität Berlin (FU) am 17. Oktober 2024,
bei der Vermummte in ein Gebäude eingedrungen waren und Beschäftigte
bedrohten.
Ausländerbehörde hat Aufklärungspflicht verletzt
Aus Sicht des Verwaltungsgerichts ist das LEA bei der Entscheidung
über den Entzug der EU-Freiheitsrechte «seiner Amtsaufklärungspflicht
nicht in ausreichendem Maße» nachgekommen. Die Ausländerbehörde hab
e
versäumt, die Ermittlungsakten bei der Staatsanwaltschaft
anzufordern.
Im Kontext der Vorfälle an der FU gebe es gegen etwa 20 Menschen
Strafanzeigen. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei es nicht
möglich festzustellen, in welchem Maße sich der 29-Jährige an der
Aktion beteiligt habe. Dies sei aber unerlässlich, um eine
Entscheidung treffen zu können.
Gericht: Individuelle Prüfung nötig
Laut Verwaltungsgericht ist eine strafrechtliche Verurteilung nicht
zwingend nötig für die Entscheidung über den Entzug der
EU-Freiheitsrechte. Der Einzelfall müsse aber individuell geprüft
werden, erklärten die Richter.
Laut Gericht gibt es derzeit 17 Ermittlungsverfahren gegen den Iren
wegen Straftaten, die er im Rahmen von Versammlungen mit Bezug zum
Nahost-Konflikt begangen haben soll - eines betrifft den Vorfall an
der FU am 17. Oktober. Keines der Strafverfahren sei abgeschlossen.
Behörde will Akten zu Strafverfahren anfordern
Die Senatsinnenverwaltung teilte auf Anfrage mit, sie werde gegen die
Entscheidung keine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg einlegen. Die Behörde warte das Urteil des
Gerichts im Hauptsacheverfahren ab. Da der Ire auch Klage eingereicht
hat, wird sich das Gericht noch eingehend mit dem Fall befassen.
Eine Sprecherin der Innenverwaltung kündigte jedoch an: «Sobald dies
ohne Gefährdung der Ermittlungen möglich ist, werden die
Strafverfahrensakten angefordert, um die Vorwürfe noch
substantiierter darlegen zu können.»
Andere Richter prüfen weitere Verfahren
Auch die anderen Betroffen klagen vor dem Verwaltungsgericht. Sie
wehren sich nach Gerichtsangaben zudem ebenfalls im Eilverfahren
gegen die Entscheidung.
Über die Fälle entscheiden jeweils unterschiedliche Richter. Denn die
Zuständigkeit der Kammern richtet sich nach den Nachnamen der Kläger.
Wann die Verfahren entschieden werden, ist noch offen.