Deutschland liefert weitere Waffensysteme an die Ukraine Von Ansgar Haase, Anna Ross und Jan Mies, dpa

11.04.2025 15:23

Ein Ende des Krieges in der Ukraine ist trotz des Drucks von
US-Präsident Trump nicht absehbar. Deutschland plant mehr
militärische Unterstützung. Große Unsicherheiten aber bleiben - wegen

der USA.

Brüssel (dpa) - Deutschland und etliche andere Länder haben der
Ukraine weitere Militärhilfen in Milliardenhöhe für den Abwehrkampf
gegen Russland zugesagt. Der geschäftsführende
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte bei einem
Treffen der sogenannten Ramstein-Gruppe in Brüssel unter anderem die
kurzfristige Lieferung von Flugabwehrraketensysteme vom Typ Iris-T
sowie von Kampfpanzern, Artilleriesystemen und Aufklärungsdrohnen an.

Zudem wird seinen Angaben zufolge an mittel- und langfristigen
Zusagen gearbeitet. Dabei geht es um mehr als 1.100 Radarsysteme zur
Bodenüberwachung sowie weitere Iris-T-Systeme. Der britische
Verteidigungsminister John Healey bestätigte, die Gruppe aus rund 50
Nationen habe sich auf weitere Hilfen im Wert von insgesamt 21
Milliarden Euro verständigt. Pistorius sprach von «großen
Fortschritten».

«Kristallkugel»: Große Unsicherheit bei US-Hilfen

Ob die Zusagen reichen werden, um der Ukraine eine effektive
Fortsetzung des Kampfes gegen Russland zu ermöglichen, ist allerdings
höchst unklar. Grund ist der Kurs von US-Präsident Donald Trump, der
bislang keine neuen Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt hat
und Kiew und Moskau stattdessen in Verhandlungen über einen
Waffenstillstand drängen will. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth
war nicht zum Treffen der Ukraine-Verbündeten nach Brüssel gereist,
sondern ließ sich lediglich per Video zuschalten.

«In naher Zukunft (...) werden wir sehen, was mit einer
US-Beteiligung, mit der US-Unterstützung passiert», sagte Pistorius.
«Ich bin nicht in der Lage, in die Kristallkugel zu schauen. Wir
warten ab.» Europa übernehme mehr Verantwortung, auch innerhalb der
Nato. Das Treffen habe «eindrucksvoll» gezeigt, wozu die Partner in
der Lage seien, unabhängig davon, ob ein Minister physisch anwesend
sei oder nicht. Die sogenannte Ramstein-Gruppe war ursprünglich von
den USA initiiert und geleitet worden - nach Trumps Kurswechsel
übernahmen jetzt Deutschland und Großbritannien die Führung.

«Kritisches» Kriegsjahr für die Ukraine

Russland setze seine Angriffe auf die Ukraine mit unverminderter
Intensität fort, sagte Pistorius. Der russische Präsident Wladimir
Putin nehme weiter den Tod von Zivilisten und Kindern in Kauf - wie
zuletzt bei den Angriffen auf die ukrainische Industriestadt Krywyj
Rih. Healey bezeichnete 2025 als «kritisches Jahr» für den Ausgang
des Krieges.

Der ebenfalls angereiste ukrainische Verteidigungsminister Rustem
Umjerow teilte mit, er sei dem deutschen Volk und der deutschen
Regierung dankbar für die neuen Ankündigungen. Das Treffen habe
gezeigt, dass Europa die Führung bei den Hilfen für die Ukraine
übernehme, sagte Umjerow, der den dringenden Bedarf nach weiteren
Flugabwehrsystemen vom Typ Patriot betonte. Deutschland könne derzeit
kein weiteres liefern, sagte jedoch Pistorius. 

Zuletzt hieß es in Militärkreisen, dass die Ukraine spätestens Ende
des Sommers in große militärische Schwierigkeiten geraten dürfte,
wenn andere Partner nicht deutlich mehr tun.

Briten wollen «Hunderttausende Drohnen» liefern

Neben Deutschland stellte bei dem Treffen unter anderem auch
Großbritannien weitere Details der Unterstützung vor. Ein von
Norwegen mitfinanziertes Paket im Wert von mehr als 500 Millionen
Euro soll unter anderem die Lieferung von Radarsystemen,
Panzerabwehrminen und «Hunderttausenden Drohnen» ermöglichen.

Das deutsche Paket für 2025 umfasst nach Angaben des
Verteidigungsministeriums konkret:

· 4 Iris-T-Luftverteidigungssysteme mit 300 Lenkflugkörpern
· 300 Aufklärungsdrohnen
· 120 tragbare Flugabwehrraketensystem (Manpads)
· 25 Schützenpanzer Marder
· 15 Kampfpanzer Leopard 1A5
· 14 Artilleriesysteme
· 100 Bodenüberwachungsradare
· 30 Lenkflugkörper für das System Patriot
· Zusätzliche rund 100.000 Schuss Artilleriemunition, wobei
Deutschland nach Angaben aus EU-Kreisen sogar die Lieferung von
insgesamt 500.000 Schuss anpeilt.

Zur weiteren militärischen Unterstützung stelle Deutschland mehr als
elf Milliarden Euro zusätzlich für die kommenden Jahre bis 2029
bereit, erklärte Pistorius mit Blick auf die jüngsten Berliner
Beschlüsse dazu. «Die Ukrainerinnen und Ukrainer können sich auf uns

verlassen», sagte er.

Pistorius schweigt zu möglichen Planungen für Truppeneinsatz

Über Meldungen, denen zufolge sich von Deutschland gelieferte
Waffensysteme auf dem Schlachtfeld teils als unzuverlässig erweisen,
zeigte sich Pistorius überrascht. «Diese Berichte habe ich mit
Erstaunen zur Kenntnis genommen», sagte er. Man sei in regelmäßigem
Austausch mit den ukrainischen Partnern, und Beschwerden über das
deutsche Material seien ihm nicht bekannt. «Süddeutsche Zeitung», NDR

und WDR hatten über einen internen Vortrag vor deutschen Soldaten
berichtet, wonach manche gelieferte Waffensysteme sich nur als
eingeschränkt kriegstauglich erwiesen haben sollen.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, sagte
dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Die deutschen Waffen
gehören zu den besten, die wir haben.» Sie hätten sich sehr gut
bewährt. Natürlich ergäben sich unter Kriegsbedingungen Hinweise
darauf, woran es hake und was an einer Waffe geändert werden sollte.
Das sei kein Skandal.

Zur Frage, ob Deutschland nach einem möglichen Waffenstillstand in
der Ukraine Soldaten für einen Einsatz in der Ukraine oder an der
Grenze des Landes stellen könnte, wollte sich Pistorius weiter nicht
äußern. «Wir sind eingebunden in die Pläne und Überlegungen, aber
ich
bleibe bei meiner Position (...) der strategischen Ambiguität», sagte
er mit Blick auf die Arbeiten an Sicherheitsgarantien der von
Frankreich und Großbritannien geführten «Koalition der Willigen». E
r
halte es für klüger, nicht jeden Tag darüber zu sprechen, «was wer

wann machen könnte, unter welchen Umständen».