Trumps Zollgewitter könnte die Luftfahrt heftig treffen Von Christian Ebner, dpa
18.04.2025 05:00
Die neue US-Zollpolitik bleibt nicht ohne Folgen für den Luftverkehr.
Erste Passagiere halten sich mit Buchungen zurück. Sollten die Zölle
auch auf Flugzeuge ausgeweitet werden, wird es teuer.
Frankfurt/Main (dpa) - In den USA bleiben bereits die Passagiere weg,
weltweit sorgen sich Airlines um das künftige Geschäft. Die
Zollpolitik des US-Präsidenten Donald Trump beeinträchtigt längst den
internationalen Luftverkehr. Doch es könnte noch viel schlimmer
kommen, wenn die Zollmauern zwischen den USA und Europa hochgezogen
würden.
Noch rätselt die Branche über die künftigen Bedingungen, während EU
und USA verhandeln. Derzeit sind nur der neue US-Basiszoll von 10
Prozent sowie 25-prozentige Sonderzölle auf Autos, Autoteile sowie
Stahl und Aluminium in Kraft. Zivile Flugzeuge und Flugzeugteile sind
nach einem WTO-Abkommen von 1980 zwischen der EU und den USA bislang
von Zöllen ausgenommen. «Dieses Abkommen sollte auch weiterhin
gelten», sagt ein Sprecher des Branchenverbands BDL.
Doch zunächst verzichten die Menschen einfach auf Flugreisen, warnt
die Branchenexpertin Maria Latorre vom Kreditversicherer Euler
Hermes. Wegen der steigenden Sorgen um die US-Wirtschaftskraft und
die inflationären Folgen sieht sie eine deutliche Verlangsamung des
ein- und ausgehenden Tourismus in den USA voraus, sowohl im Austausch
mit China als auch mit Europa mit entsprechend sinkenden
Buchungszahlen.
Lufthansas Hauptmarkt
Der Lufthansa-Konzern nennt mit Hinweis auf den bevorstehenden
Quartalsbericht derzeit keine Details zum Hauptmarkt Nordatlantik.
Bei Vorlage des Jahresabschlusses im März hatte Konzernchef Carsten
Spohr noch von stabilen Buchungszahlen und hohen Ticketpreisen
berichtet, die man insbesondere bei US-Kunden erziele. Konkurrent
Condor berichtet, die Buchungseingänge lägen «im Rahmen der eigenen
Markterwartungen». Massive Änderungen habe es nicht gegeben.
Dass es mit der Ruhe in Zeiten von Trumps Zollgewittern schnell
vorbei sein könnte, zeigt der Blick auf den US-Binnenmarkt. Behörden,
Geschäftsleute und private Passagiere buchen weniger Inlandsflüge,
halten aus Inflationsangst ihr Geld zusammen. In der Folge haben die
großen US-Gesellschaften ihre Erwartungen nach unten korrigiert,
trauen sich teilweise keine Prognose der Geschäftszahlen mehr zu. Und
Virgin Atlantic Airways berichtete von Buchungsrückgängen bei ihren
Fernflügen zwischen den USA und Großbritannien.
Sorge um Lieferketten
Die größere Sorge gilt aber den Lieferketten für den Bau moderner
Passagierflugzeuge. Laut einer Aufstellung von Euler Hermes hat
Airbus mehr als 2.000 Lieferanten, Boeing immerhin 345, von denen die
Mehrheit ebenfalls im möglicherweise zollpflichtigen Ausland sitzt.
«Europa und Amerika sind in der Luftfahrt eng verwoben. Unsere
Unternehmen sind einander auf Zulieferungen dringend angewiesen.
Teilweise gibt es im Produktionsprozess sogar mehrmals
Grenzüberquerungen», sagt die Hauptgeschäftsführerin des
Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI),
Marie-Christine von Hahn.
Schon ohne zusätzliche Zollschranken sind Passagierjets nach der
Corona-Krise ein knappes Gut, das zu dünnen Flugplänen und
entsprechend hohen Ticketpreisen geführt hat. Wegen massiver
Herstellungs- und Zulassungsprobleme ist insbesondere Boeing mit
seinen Lieferungen im Verzug, sodass zahlreiche Fluggesellschaften
händeringend auf neue Flugzeuge warten. Beim europäischen
Konkurrenten Airbus sind die Auftragsbücher mit der zehnfachen
Jahresproduktion übervoll.
Konkurrenz aus China?
China soll der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge seine
Airlines angewiesen haben, keine Maschinen des US-Flugzeugbauers
Boeing mehr zu übernehmen und keine Ausrüstung sowie Teile für die
Luftfahrt von US-Firmen zu beziehen. Die Stunde des eigenen
Mittelstreckenjets Comac C919 könnte in China schlagen, auch wenn
viele Teile aus dem Westen stammen. «Diese transatlantischen Zölle
nutzen ausschließlich unseren Konkurrenten. Somit bremst der Westen
seine eigene Wettbewerbsfähigkeit», sagt von Hahn.
Bei Lufthansa standen zum Jahreswechsel 242 feste
Flugzeugbestellungen auf dem Zettel, 101 Jets sollen von Boeing
kommen. Darunter sind auch 15 fertig montierte Dreamliner vom
Langstrecken-Typ 787, die wegen fehlender Zulassungen bei den
Lufthansa-Sitzen immer noch in Seattle auf dem Hof stehen. Nach
Informationen der «Süddeutschen Zeitung» wird intern bereits geprüf
t,
die Jets vor drastischen Zollerhöhungen kurzfristig einmal über den
Atlantik zu fliegen oder sie über die Schweiz zu importieren.
Airlines wollen keine Zölle auf Flugzeuge zahlen
Boeing-Großkunde Ryanair setzt darauf, dass Trump seinem
Vorzeige-Export-Unternehmen Boeing keinen Zoll-Ballast anhängen
werde. Die Iren erwarten ab dem kommenden Jahr bis 2034 die Lieferung
von 330 Boeing-737-Jets - «zum vereinbarten Preis», wie das
Unternehmen auf dpa-Anfrage festhält. Ein Wechsel auf europäische
Airbus-Flugzeuge sei wegen der vollen Auftragsbücher der
Flugzeugbauer für keine Airline eine Option. Auch die US-Airline
Delta hat bereits klargemacht, dass sie keinesfalls Einfuhrzölle für
bestellte Airbus-Maschinen übernehmen wird.
Es könnte in der ganzen Zoll-Malaise aber auch kurzfristig Gewinner
geben: Im Interview mit dem «Spiegel» hofft der neue Easyjet-Chef
Kenton Jarvis auf zusätzliche Passagiere in Europa, wenn US-Trips
aufgegeben werden. «Wir sind sehr glücklich, dass wir mit Airbus ein
Flugzeug aus Europa haben und auch unsere Triebwerke nicht vom
amerikanischen Unternehmen Pratt & Whitney kommen. Wir waren nicht
klüger als andere, wir haben einfach Glück gehabt.»