Analyse: Deutsches Finanzpaket nicht mit EU-Regel vereinbar

24.04.2025 18:02

Es gilt als historisch: Die designierte Bundesregierung will für
Infrastruktur und Verteidigung Schulden in Milliardenhöhe machen.
Werden ihr - selbst mitverhandelte - EU-Regeln zum Verhängnis?

Brüssel (dpa) - Mit dem von der designierten Bundesregierung
beschlossenen Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und
Infrastruktur kann Deutschland einer Analyse zufolge die
EU-Schuldenvorgaben nicht einhalten. Nach Berechnungen von Experten
der Brüsseler Denkfabrik Bruegel ließen die derzeitigen
EU-Finanzvorschriften die vorhergesehenen Ausgaben nicht zu - «es sei
denn, sie werden durch Haushaltseinsparungen an anderer Stelle
ausgeglichen», schreiben die Autoren. Selbst mit einer von der
EU-Kommission angebotenen Ausnahmeregel für Investitionen in
Rüstungsgüter seien die Berliner Vorhaben unvereinbar mit dem
Regelwerk.

Die Experten bezeichnen die Situation als ein Dilemma. Denn zwar sei
es aus europäischer Sicht eine gute Nachricht, «dass Deutschland
endlich die Fesseln seiner Schuldenbremse abgeworfen hat».
Gleichzeitig dürfe es bei der Einhaltung der Schuldenregeln, dem
sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt, keine Ausnahme nur für
Deutschland geben.

Deutschland hatte sich für strenge Regeln eingesetzt

Die europäischen Schuldenregeln gelten für alle Mitgliedsländer der
EU. Sie schreiben unter anderem vor, dass der Schuldenstand eines
Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht
überschreiten darf. Gleichzeitig muss das gesamtstaatliche
Finanzierungsdefizit unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) gehalten werden. Wer die Grenzen übertritt, riskiert ein
Strafverfahren. Der Pakt war im vergangenen Jahr reformiert worden -
vor allem Deutschland hatte sich für vergleichsweise strenge Regeln
stark gemacht. 

Um für solide Finanzen zu sorgen, muss jedes Land zusammen mit der
EU-Kommission einen vierjährigen Haushaltsplan aufstellen. In diesen
haben sich einige Länder zu einer erheblichen Haushaltskonsolidierung
verpflichtet. Der Plan aus Deutschland steht derzeit noch aus. Die
neue Regierung könne sich aber nicht leisten, in diesem deutlich
geringere Ausgaben für etwa Infrastruktur zu planen, als sie zugesagt
hat, schreiben die Autoren.

Experten schlagen erneute Reform der EU-Schuldenregeln vor

Als eine «saubere» Lösung des «Dilemmas» sehen die Bruegel-Expert
en
eine erneute Reform der EU-Schuldenregeln, «nicht nur zum Vorteil
Deutschlands, sondern auch aller anderen EU-Länder, insbesondere
derjenigen, die derzeit harte Einschnitte bei den öffentlichen
Investitionen planen». Im Zuge von Europas Aufrüstungsbemühungen
hatte die EU-Kommission bereits eine Ausnahmeregel für
Verteidigungsausgaben vorgeschlagen.

Neue Regierungskoalition beschloss Milliarden-Finanzpaket

Anfang März hatte sich die wohl künftige neue Regierungskoalition aus
CDU, CSU und SPD auf ein Finanzpaket von historischem Ausmaß für
Verteidigung und Infrastruktur geeinigt. Zusammen mit den Grünen
verabschiedete der alte Bundestag mit der notwendigen
Zwei-Drittel-Mehrheit Änderungen im Grundgesetz, um die dort
verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben zu lockern und
ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz im Umfang von
500 Milliarden Euro zu schaffen.