EU-Schuldenregeln: Deutschland nutzt Verteidigungs-Ausnahme

28.04.2025 13:09

Die designierte Bundesregierung will für Verteidigung Schulden in
Milliardenhöhe machen. Dafür will sie auch eine von Brüssel
vorgeschlagene Ausnahmeregel in den EU-Vorschriften nutzen. Reicht
das?

Berlin/Brüssel (dpa) - Um mehr in Verteidigung investieren zu können,
will Deutschland eine von der EU-Kommission vorgeschlagene
Ausnahmeregel in den europäischen Schuldenvorgaben nutzen. In einem
Schreiben an die Brüsseler Behörde beantragt der geschäftsführende

Bundesfinanzminister Jörg Kukies förmlich die Aktivierung der
sogenannten nationalen Ausweichklausel für die Bundesrepublik für den
Zeitraum von 2025 bis 2028. Das Schreiben liegt der Deutschen
Presse-Agentur vor, zuvor hatte die Nachrichtenplattform «The
Pioneer» darüber berichtet. Deutschland ist nach Angaben der
Kommission das erste EU-Land, das die Ausnahmeregel aktiviert.

Der anhaltende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine erfordere
eine erhebliche Aufstockung der Verteidigungsfähigkeiten, heißt es
weiter in dem Schreiben. «In den kommenden Jahren wird die
Bundesregierung vor der Herausforderung stehen, ihre nationalen und
bündnispolitischen Verteidigungsfähigkeiten weiter zu stärken und
ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Sicherheit in Europa gerecht
zu werden.»

Das EU-Regelwerk für Staatsschulden und Defizite schreibt vor, dass
der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der
Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Zugleich muss das
gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit - also die vor allem durch
Kredite zu deckende Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des
öffentlichen Haushalts - unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
gehalten werden. Beim Überschreiten der Grenzen droht ein
Strafverfahren. 

Paris nutzt Verteidigungs-Ausnahme nicht

Mit der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Ausnahmeregel sollen
Verteidigungsinvestitionen ausgenommen werden: So sollen die Länder
für die Aufrüstung neue Kredite aufnehmen können, ohne ein Verfahren

zu riskieren. Allerdings sind hohe Staatsschulden in der
Aufrüstungsdebatte eine Sorge vieler Länder - wie etwa Frankreichs.
Paris hatte daher bereits angekündigt, die Sonderregel mangels
Spielraum im nationalen Haushalt nicht nutzen zu wollen, um die
Staatsverschuldung nicht noch weiter in die Höhe zu treiben.

Frankreich ist hoch verschuldet und gehört mit einer Schuldenquote
von knapp 110 Prozent (2023) der Wirtschaftsleistung laut
EU-Statistikamt Eurostat zu den Schlusslichtern der EU. Deutschland
hatte 2024 eine Schuldenquote von 62,5 Prozent.

Einer Analyse der Brüsseler Denkfabrik zufolge allerdings kann auch
Deutschland mit dem von der designierten Bundesregierung
beschlossenen Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und
Infrastruktur die EU-Schuldenvorgaben nicht einhalten, selbst mit der
Ausnahmeregel - «es sei denn, sie werden durch Haushaltseinsparungen
an anderer Stelle ausgeglichen», schreiben die Autoren. Anfang März
hatte sich die wohl künftige neue Regierungskoalition aus CDU, CSU
und SPD auf ein Finanzpaket von historischem Ausmaß für Verteidigung
und Infrastruktur geeinigt.

Ausnahme Teil von EU-Aufrüstungsvorhaben

Auch als Reaktion auf den Kurswechsel der USA in der Ukraine-Politik
unter Präsident Donald Trump will die ganze EU stark aufrüsten. Neben
der Ausnahme in den Schuldenregeln sollen dafür auch EU-Kredite in
Höhe von 150 Milliarden Euro genutzt werden. In den kommenden vier
Jahren sollen so insgesamt 800 Milliarden Euro mobilisiert werden.