Verband: Strompreiszone-Teilung lohnt sich wirtschaftlich

28.04.2025 18:41

Schon lange wird über eine Aufteilung der deutschen Strompreiszone
diskutiert. In der Debatte legt nun der europäische
Netzbetreiberverband seine Analyse vor. Auch aus Bayern kommt Kritik.

München/Brüssel (dpa/lby) - Eine Aufsplittung der deutschen
Strompreiszone würde sich einer Analyse des europäischen
Netzbetreiberverbands Entso-E zufolge wirtschaftlich lohnen. Diese
Einschätzung stößt in Bayern auf breite Kritik, und zwar von
Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), den
Landtagsfraktionen von CSU und Grünen sowie beim Bayerischen
Industrie- und Handelskammertag (BIHK). Auch Ministerpräsident Markus
Söder (CSU) schaltete sich in die Debatte ein.

Der Studie zufolge würde eine Teilung der sich bislang über ganz
Deutschland und Luxemburg erstreckenden Strompreiszone in fünf kleine
Zonen die höchste wirtschaftliche Effizienz mit Kostenvorteilen von
339 Millionen Euro bringen. 

Starke Einschränkungen

Die Autoren verweisen jedoch ausdrücklich auf große Unsicherheiten
der Annahmen, veraltete Daten und das Nicht-Betrachten einiger
Aspekte in der Analyse. Die Autoren geben weiterhin zu bedenken, dass
manche Verbraucher durch eine Aufteilung möglicherweise mehr zahlen
müssten. 

Eine Gebotszone - auch Strompreiszone - ist ein geografisches Gebiet
innerhalb des Strommarktes, in dem Strom gekauft und verkauft werden
kann. Innerhalb einer Preiszone bildet sich der Großhandelspreis aus
Angebot und Nachfrage. Analysiert wurde nun die Aufteilung der
deutsch-luxemburgischen Strompreiszone in zwei, drei, vier und fünf
einzelne Zonen. 

Debatte läuft schon lange

Die Aufteilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen wird seit
einigen Jahren diskutiert, weil die Energiewende zu einem
Ungleichgewicht der Stromversorgung geführt hat: In Süddeutschland
mit seinen großen Industriestandorten reicht die Stromproduktion
nicht mehr, um den Bedarf zu decken, im Norden wird mehr Strom
produziert als verbraucht. Durch eine geografische Aufteilung des
Marktes rechnen einige mit einem Sinken der Strompreise im Norden und
einem Anstieg im Süden. 

Deutschland hat nun laut der EU-Verordnung über den
Elektrizitätsbinnenmarkt sechs Monate Zeit, auf die Studie zu
reagieren. Im Koalitionsvertrag der designierten Bundesregierung aus
SPD und Union heißt es: «Wir halten an einer einheitlichen
Stromgebotszone fest.» 

Protest aus Bayern

Ministerpräsident Söder lehnt eine Aufsplittung der deutschen
Strompreiszone ab. Dem «Münchner Merkur» (Dienstag) sagte er: «Es
bleibt bei einer einheitlichen Strompreiszone. Das steht auch klar im
Koalitionsvertrag.». Alles andere wäre zum schweren Schaden für
Deutschland und insgesamt für die EU. 

Hubert Aiwanger sagte mit Blick auf die Studie, die deutsche
Wirtschaft brauche weiterhin die einheitliche Strompreiszone. Jede
andere Debatte werde zu großer Verunsicherung bei allen Akteuren
führen und der Wirtschaft in Süd wie Nord gleichermaßen schaden. «D
er
Windstrom im Norden wird an Wert verlieren und der Strom im Süden
wird teurer. Das nutzt niemandem.» 

Vielmehr müsste der Netzausbau vorangetrieben werden, so Aiwanger.
«Das ist die wirksamste Antwort auf Engpässe.» Bei einer Aufspaltung

wäre der Umsetzungsaufwand immens und der Nutzen zweifelhaft. «Der
Koalitionsvertrag spricht eine deutliche Sprache: Deutschland soll
eine einheitliche Strompreiszone bleiben. Wer das infrage stellt,
handelt gegen die Interessen unseres Landes.» 

Als «skandalös und kurzsichtig» bezeichnete der
CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek die Empfehlung der Studie.
Eine Trennung Bayerns von den anderen Regionen Deutschlands dürfte im
Freistaat für höhere Strompreise und Wettbewerbsnachteile für die
Unternehmen sorgen. «Besonders absurd: Die erforderlichen
Vorbereitungen würden sich über drei bis fünf Jahre hinziehen.
Bereits ab 2027 werden aber der SüdOstLink und ein Jahr später der
SüdLink dafür sorgen, dass Strom aus Überkapazitäten in Nord- und
Ostdeutschland einfach nach Bayern transportiert werden kann. Damit
hat sich das Problem ohnehin erledigt», sagte Holetschek. 

Der energiepolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Martin Stümpfig,
kritisierte den Vorschlag zur Aufteilung Deutschlands in
Strompreiszonen als nicht sinnvoll, «da bis zur Etablierung dieser
neuen Systematik die HGÜ-Trassen fertiggestellt sind und der Engpass
in größeren Umfang beseitigt ist». Weiter sagte Stümpfig: «Diese

Engpassbeseitigung hätten wir viel früher haben können» und warf
der
bayerischen Staatsregierung eine Blockade-Haltung beim Netzausbau
vor. Erforderlich seien jetzt mehr Tempo beim Ausbau der Windenergie,
die schnelle Umsetzung eines Masterplans für Stromnetze und
intelligente Speicher in Bayern. 

Industrie spricht sich dagegen aus

In einer gemeinsamen Stellungnahme nennen der Bundesverband der
Energie- und Wasserwirtschaft und der Verband der Automobilindustrie
eine Aufteilung des deutschen Strommarktes «weder sinnvoll noch
verhältnismäßig». Eine Aufsplittung in mehrere Preiszonen würde
«zu
massiven Unsicherheiten für die Industrie führen und zudem das
Investitionsklima für erneuerbare Energien erheblich eintrüben - ohne
dass den erheblichen Risiken und signifikanten Kosten nennenswerte
ökonomische Vorteile gegenüberstünden», teilten sie mit. 

BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl warnte vor einer Fünfteilu
ng
der deutschen Strompreiszone. Eine künstlich geschaffene Zonenteilung
würde die Energiekosten in Bayern und ganz Süddeutschland steigen
lassen und die wirtschaftliche Krise verschärfen. Zudem zeige die
Erfahrung anderer Länder, dass die Aufteilung in verschiedene
Strompreiszonen nicht den Erneuerbaren Energien einen Schub verleiht,
sondern durch den jahrelangen Umbau der Stromgebiete massive
Unsicherheit drohe und notwendige Investitionen in Erneuerbare
Energie und den Netzausbau auf der Strecke blieben. 

Auch der europäische Windenergieverband WindEurope sieht die
Vorschläge kritisch. «Es mag Argumente dafür geben, bestehende
Gebotszonen auf den Strommärkten aufzuteilen», sagte Geschäftsführe
r
Giles Dickson. «Aber das würde die Unsicherheit über die künftigen

Einnahmen von Kraftwerken erhöhen. Und das würde die Investitionen in
neue erneuerbare Energien untergraben.» Der Ausbau der erneuerbaren
Energien habe im Moment oberste Priorität, dafür brauche es
größtmögliche Sicherheit. 

Der Verband kommunaler Unternehmen lehnt eine Aufteilung entschieden
ab. «Eine Spaltung hätte schwerwiegende wirtschaftliche und
energiepolitische Folgen und würde die angestrebte Energiewende
gefährden», teilte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing mit.