Ehegatten von Unionsbürgern genießen Freizügigkeit

Diese ist auch ohne rechtmäßigen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zu gewähren

Der nicht die Unionsbürgerschaft besitzende Ehegatte eines Unionsbürgers darf sich mit diesem innerhalb der Union bewegen und aufhalten, ohne sich zuvor rechtmässig in einem Mitgliedstaat aufgehalten zu haben.

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-127/08

Metock und andere / Minister für Jusiz, Gleichhait und Gesetzesreform

Das Recht eines Drittstaatsangehörigen, einen Unionsbürger, dessen Familienangehöriger er ist, zu begleiten oder ihm nachzuziehen, darf nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass er sich zuvor rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat

Aufgrund der Richtlinie über die Freizügigkeit der Unionsbürger (Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten [ABl. L 158, S. 77].) hat jeder Bürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu bewegen und aufzuhalten, wenn er dort erwerbstätig ist oder studiert oder über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt, um keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Die Familienangehörigen eines Bürgers der Europäischen Union haben das Recht, sich gemeinsam mit diesem in den Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Sie dürfen in einen Mitgliedstaat einreisen, sofern sie über ein Einreisevisum oder eine von einem Mitgliedstaat ausgestellte Aufenthaltskarte verfügen.

Die irischen Rechtsvorschriften, mit denen diese Richtlinie umgesetzt wird, sehen vor, dass sich ein Drittstaatsangehöriger, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, nur dann gemeinsam mit diesem in Irland aufhalten oder ihm dorthin nachziehen darf, wenn er sich bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält.

In vier beim irischen High Court anhängigen Rechtssachen stellt sich die Frage, ob die irischen Rechtsvorschriften mit der Richtlinie vereinbar sind. In jeder dieser Rechtssachen geht es um einen Drittstaatsangehörigen, der nach Irland eingereist war und politisches Asyl beantragt hatte. In allen Fällen wurde der Antrag abgelehnt. Während ihres Aufenthalts in Irland heirateten die vier Drittstaatsangehörigen Unionsbürgerinnen, die nicht die irische Staatsbürgerschaft besaßen, sich aber in Irland aufhielten. Bei keiner dieser Ehen handelt es sich um eine Scheinehe.

Nach der Heirat beantragten alle vier Drittstaatsangehörigen in ihrer Eigenschaft als Ehegatte einer Unionsbürgerin eine Aufenthaltsgenehmigung. Ihre Anträge wurden vom Minister for Justice, Equality and Law Reform mit der Begründung abgelehnt, dass die Antragsteller die Voraussetzung eines vorherigen rechtmäßigen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat nicht erfüllten.

Gegen diese Entscheidungen wurden Rechtsmittel beim High Court eingelegt, der den Gerichtshof fragt, ob eine derartige Voraussetzung eines vorherigen rechtmäßigen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat mit der Richtlinie in Einklang steht und ob sich die Umstände der Eheschließung und die Art und Weise, in der der mit einem Unionsbürger verheiratete Drittstaatsangehörige in den betreffenden Mitgliedstaat eingereist ist, auf die Anwendung der Richtlinie auswirken.

In Bezug auf Familienangehörige von Unionsbürgern hängt, wie der Gerichtshof feststellt, die Anwendung der Richtlinie nicht von der Voraussetzung ab, dass sich diese zuvor in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben. Die Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen Mitgliedstaat als den, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen, die ihn in diesen Mitgliedstaat begleiten oder ihm dorthin nachziehen. Die in der Richtlinie enthaltene Definition der Familienangehörigen unterscheidet nicht danach, ob sich diese bereits rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben oder nicht. Diese Auslegung wird durch mehrere Artikel der Richtlinie bestätigt und durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt.

Der Gerichtshof hält an seiner im Urteil Akrich (Urteil vom 23. September 2003, Akrich, C-109/01 [vgl. auch Pressemitteilung 76/03, http://curia.europa.eu/de/actu/communiques/cp03/aff/cp0376de.htm]) vertretenen Auffassung, wonach sich der mit einem Unionsbürger verheiratete Drittstaatsangehörige, um das Recht beanspruchen zu können, in einen Mitgliedstaat einzureisen und sich rechtmäßig dort aufzuhalten, in einem Mitgliedstaat rechtmäßig aufhalten musste, wenn er sich in Begleitung eines Unionsbürgers in einen anderen Mitgliedstaat begab, nicht fest. Der Genuss solcher Rechte darf nicht davon abhängen, dass sich der mit einem Unionsbürger verheiratete Drittstaatsangehörige zuvor in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat.

Der Gerichtshof hebt hervor, dass die Ausübung der Freiheiten, die der Vertrag den Unionsbürgern gewährleistet, schwerwiegend behindert würde, wenn diese im Aufnahmemitgliedstaat kein normales Familienleben führen dürften, weil sie davon abgehalten würden, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, in diesen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten.

Dem Vorbringen des Minister for Justice und mehrerer Mitgliedstaaten, wonach eine Auslegung, wie sie der Gerichtshof vornehme, schwerwiegende Folgen für die Mitgliedstaaten hätte, da sie zu einem enormen Anstieg der Zahl der Personen führen würde, die ein Recht auf Aufenthalt in der Gemeinschaft beanspruchen könnten, hält der Gerichtshof entgegen, dass nur die Familienangehörigen eines Unionsbürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, Rechte auf Einreise und Aufenthalt nach der Richtlinie beanspruchen können. Zudem dürfen die Mitgliedstaaten die Einreise und den Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit verweigern, wobei eine solche Weigerung auf eine individuelle Prüfung des Einzelfalls gestützt werden muss. Die Mitgliedstaaten dürfen außerdem die durch die Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug - wie z. B. im Fall einer Scheinehe - verweigern, aufheben oder widerrufen.

Der nicht die Unionsbürgerschaft besitzende Ehegatte eines Unionsbürgers kann sich, wie der Gerichtshof schließlich feststellt, auf die Bestimmungen dieser Richtlinie unabhängig davon berufen, wann oder wo ihre Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist.

Der Gerichtshof stellt klar, dass die Richtlinie nicht verlangt, dass der Unionsbürger zum Zeitpunkt seines Umzugs bereits eine Familie gegründet hat, damit seine Familienangehörigen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besitzen, die mit dieser Richtlinie geschaffenen Rechte in Anspruch nehmen können. Nach Auffassung des Gerichtshofs spielt es zudem keine Rolle, ob Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, bevor oder nachdem sie Familienangehörige des Unionsbürgers wurden; der Aufnahmemitgliedstaat ist jedoch berechtigt, unter Beachtung der Richtlinie Sanktionen zu verhängen, wenn die Einreise in sein Hoheitsgebiet und der Aufenthalt dort unter Verstoß gegen die nationalen Zuwanderungsbestimmungen erfolgt sind.

Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie auf der Internetseite des Gerichtshofs hier.