Geldbuße gegen die Deutsche Telekom bestätigt
Erhobene Entgelte für den Zugang zum Teilnehmeranschluss sind nicht statthaft
Das Gericht bestätigt die gegen die Deutsche Telekom wegen der zwischen 1998 und 2002 erhobenen Entgelte für den Zugang zum Teilnehmeranschluss verhängte Geldbuße.
Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache T-271/03
Deutsche Telekom AG / Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Die Deutsche Telekom hat dadurch, dass sie ihren Wettbewerbern höhere Entgelte berechnet hat als ihren eigenen Endkunden, ihre beherrschende Stellung missbraucht.
In einer Entscheidung vom 23. Mai 2003 kam die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Telekom seit 1998 ihre beherrschende Stellung auf den Märkten für den direkten Zugang zu ihrem Telefonfestnetz missbrauche. Dieser Missbrauch bestehe darin, dass für den Zugang der Wettbewerber zum Netz („Vorleistungen") Entgelte berechnet worden seien, die höher gewesen seien als die Entgelte, die den Endkunden der Deutschen Telekom in Rechnung gestellt worden seien. Diese Preisgestaltung in Form einer „Kosten-Preis-Schere" zwinge die Wettbewerber dazu, ihren Endkunden höhere Entgelte zu berechnen, als die Deutsche Telekom ihren eigenen Endkunden in Rechnung stelle. Die Kommission verhängte daher gegen die Deutsche Telekom eine Geldbuße in Höhe von 12,6 Millionen Euro. Die Deutsche Telekom hat beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften beantragt, die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären oder zumindest die verhängte Geldbuße herabzusetzen.
In seinem heutigen Urteil weist das Gericht alle Klagegründe der Deutschen Telekom zurück.
Zunächst führt das Gericht aus, dass die Kommission zu Recht festgestellt hat, dass die Deutsche Telekom von Anfang 1998 bis Ende 2001 sowie von 2002 bis zum Erlass der Entscheidung über ausreichenden Handlungsspielraum zur Beseitigung oder Verringerung der Kosten-Preis-Schere verfügte, ohne dabei die von der Regulierungsbehörde (RegTP) vorgegebene Preisobergrenze verletzen zu müssen.
Das Gericht hebt hervor, dass der Umstand, dass die Entgelte der Deutschen Telekom von der RegTP genehmigt werden mussten, die Deutsche Telekom nicht ihrer wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit entzieht. Als Unternehmen in beherrschender Stellung war sie, wenn ihre Entgelte zu einer Beeinträchtigung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt führten, gehalten, Entgeltänderungsanträge zu stellen.
Die Deutsche Telekom hat aber den Handlungsspielraum, über den sie im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 verfügte, nicht dazu genutzt, die Kosten-Preis-Schere zu verringern oder sogar vollständig zu beseitigen.
In Bezug auf die Methode der Kommission zur Feststellung der Kosten-Preis-Schere stellt das Gericht fest, dass die Missbräuchlichkeit des Verhaltens der Deutschen Telekom mit der Spanne zwischen ihren Vorleistungs- und Endkundenpreisen im Zusammenhang steht. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, nachzuweisen, dass die Endkundenpreise für sich genommen missbräuchlich waren.
Ebenfalls zu Recht hat die Kommission bei ihrer Prüfung der Missbräuchlichkeit der Preispolitik ausschließlich auf die Entgelte und Kosten der Deutschen Telekom abgestellt, ohne die spezifische Stellung der Wettbewerber auf dem Markt zu berücksichtigen. Hierzu stellt das Gericht fest, dass, wenn die Rechtmäßigkeit der Preispolitik eines beherrschenden Unternehmens von der spezifischen Lage der Wettbewerber abhinge, insbesondere von ihrer Kostenstruktur, die dem beherrschenden Unternehmen im Allgemeinen nicht bekannt ist, dieses nicht in der Lage wäre, die Rechtmäßigkeit seines eigenen Verhaltens zu beurteilen.
Da die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Preispolitik somit auch nicht durch etwaige Präferenzen der Wettbewerber der Deutschen Telekom für den einen oder anderen Markt beeinflusst wird, durfte die Kommission annehmen, dass bei der Berechnung der Kosten-Preis-Schere der Preis der Vorleistungen mit dem gewichteten Durchschnitt der Endkundenpreise für alle Zugangsdienste der Deutschen Telekom (analog, ISDN und ADSL) zu vergleichen sei.
Hinsichtlich der Auswirkungen des vorgeworfenen Verhaltens weist das Gericht darauf hin, dass es in Deutschland im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung neben dem Festnetz der Deutschen Telekom keine andere Infrastruktur gegeben hat, die ihren Wettbewerbern einen nachhaltigen Eintritt in den Markt für Endkunden-Zugangsdienste erlaubt hätte. Da die Leistungen der Deutschen Telekom also unabdingbar sind, behindert eine Kosten-Preis-Schere zwischen ihren Vorleistungs- und Endkundenentgelten grundsätzlich die Entwicklung des Wettbewerbs auf diesem Markt. Unter diesen Umständen kann nämlich ein potenzieller Wettbewerber, der ebenso effizient ist wie die Deutsche Telekom, in den Markt für Endkunden-Zugangsdienste nicht eintreten, ohne dabei Verluste zu erleiden. Zudem zeugen die geringen Marktanteile, die von den Wettbewerbern auf diesem Markt gewonnen wurden, von der Behinderung der Entwicklung des Wettbewerbs auf diesen Märkten durch die Preispolitik der Deutschen Telekom.
Schließlich erinnert das Gericht daran, dass die Entscheidungen nationaler Behörden auf der Grundlage des Telekommunikationsrechts der Gemeinschaft die Befugnis der Kommission zur Feststellung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht nicht berühren. Der Kommission kann daher nicht vorgeworfen werden, die Entgelte der Deutschen Telekom einer doppelten Regulierung zu unterziehen, wenn sie gegen die Deutsche Telekom Sanktionen verhängt, weil diese ihren Handlungsspielraum nicht zur Beseitigung der Kosten-Preis-Schere genutzt hat.
HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet.
Den vollständigen Wortlaut des Urteils finden Sie der Internetseite des Gerichtshofs hier.
Pressemitteilung Nr. 26/08 April 2008